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Im Stich gelassen

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Ein „Jerusalem auf Rollen”, eine möglichst flexible Lösung (analog der Methode, Hochhäuser im erdbebengefährdeten Tokio zu errichten) für die heilige Stadt der Juden, Moslems und Christen, wünscht sich der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Wolfgang Schwarz. Beim „Jour fixe” des Verbandes Katholischer Publizisten Österreichs in Wien wies er zugleich auf die für Christen immer schwierigere Situation im Heiligen Land hin, denn der dortige Friede „passiert nicht in den Herzen”.

Laut Schwarz leben im Heiligen Land nur mehr 120.000 Christen verschiedener Konfessionen, wobei die Katholiken mit lateinischem Ritus die kleinste Gruppe darstellen. Und täglich verlassen rund 100 christliche Araber das Land. In einstigen christlichen Hochburgen wie Bethlehem (heute 70 Prozent Moslems) und Naza-reth (heute 50 Prozent Moslems) erschallt der Buf, Christen ihr Land abzukaufen. So scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die Christen zur verschwindenden Minderheit werden.

Das Plus der Christen ist meist ihre Schulbildung - es gibt eine Reihe angesehener christlicher Schulen. Während aber die islamischen Staaten die Moslems und die „Hamas” massiv finanziell unterstützen, haben die Christen in der Welt für die christlichen Palästinenser so gut wie nichts getan. Seit Beginn der Intifada (1987) hat sich das Klima verschärft. Die Moslems bezichtigen die Christen der Anfälligkeit zur „Kollaboration” mit den Israelis. Nach Aufrufen zum allgemeinen Streik öffnen die Moslems bald wieder ihre Geschäfte, während man die Christen streng kontrolliert und damit wirtschaftlich ruiniert.

Echte Ökumene, so Schwarz, sei im Heiligen Land zwischen den wirklich maßgeblichen Geistlichen nicht möglich, zumal die Juden, in etliche mehr oder weniger orthodoxe Gruppen gespalten, „kein Lehramt” haben. „Aber sie leben trotzdem”, betont Schwarz. Bedauernd stellt er fest, es sei die „jeru-salemitische Dimension unserer Religion verlorengegangen”. Daß der Existenzkampf der Christen im Nahen Osten die Welt relativ kalt zu lassen scheint, ist zweifellos ein alarmierendes Zeichen.

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