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Christsein im Heiligen Land

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Die politische Situation Israels verändert sich. Palästinenser und Juden haben einander die Hand gereicht. Wo stehen in diesem Prozeß die Christen?

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Die politische Situation Israels verändert sich. Palästinenser und Juden haben einander die Hand gereicht. Wo stehen in diesem Prozeß die Christen?

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Birgt der Frieden zwischen Israelis und Palästinensern auch für die Christen größere Freiheiten in sich? Richard Matthes, Leiter des Hauses „Notre Dame of Jerusalem“ und vatikanischer Diplomat im Heiligen Land, meint, bisher habe sich bezüglich der Christen nicht viel getan. Die arabischen Christen seien zu 95 Prozent durch die arabische Entwicklung betroffen. Dies gelte zumindest für Jerusalem und Umgebung. Trotzdem, so Matthes, stünden die Christen, dem Friedensprozeß eher kritisch gegenüber. Oft werde gesagt, es sei besser auf dem Zaun zu sitzen und die Entwicklung zu beobachten. Lediglich ein Drittel der Christen stünde voll hinter Arafat, meint der Diplomat.

Wie aber sieht das christliche Lager in Israel wirklich aus? Maximal gibt es 180.000 Christen. Von ihnen gehören etwa 40.000 zu der orthodo-

xen Kirche; 35.000 bekennen sich zu den Melchiten, also jener Kirche, die mit Rom verbunden ist, 25.000 sind Lateiner und der Rest gehört zu den verschiedenen christlichen Denominationen, die es im Heiligen Land gibt. Somit ist die griechisch-orthodoxe Kirche die größte Einzelkirche im Heiligen Land.

Allerdings rumort es in dieser Kirche. Der Grund hierfür ist einfach: die Hierarchie ist griechisch; die Gesänge in der Liturgie sind griechisch, obwohl es diese Liturgie auch in der arabischen Sprache gibt, und die

Bischöfe und viele Priester fühlen und denken griechisch. Dies hat in den vergangenen Jahrzehnten oftmals dazu geführt, daß griechisch- orthodoxe Gläubige sich entweder den Melchiten oder den Lateinern zuwandten. Die orthodoxe Kirchenleitung im Heiligen Land bezeichne- te diesen Vorgang schlicht als Prose- lytismus der anderen Kirchen, stellte den ökumenischen Dialog mit Rom in Frage - sich selbst aber befragte sie nicht selbstkritisch.

Es scheint, die griechische Hierarchie im Heiligen Land hat bisher noch nicht verstehen wollen, um was es geht. In der liturgischen Sprache hat sich bisher nichts geändert. Ferner machte der derzeitige Patriarch im Blick auf die arabische Bevölkerung viele und entscheidende Fehler. So ließ er an kirchliche Gebäude die griechischen Farben malen und ließ ferner „griechische Pfarrei“ schreiben. Dies aber mögen die arabischen Christen nicht. Sie wollen nicht in eine „ausländische Gemeinde“ gehen.

Auch wenn die christlichen Araber im Heiligen Land beobachtend „auf dem Zaune sitzen“, größeres Selbstbewußtsein haben auch sie gewonnen. So geschah etwas, was bisher der Patriarch nicht kannte: Laien standen gegen ihn und den Heiligen Synod auf. Sie mahnten die Verfassung an, die König Hussein noch kurz vor der Wiedervereinigung Jerusalems durch Israel erlassen hatte. Eingeklagt wurde: es gebe zu wenige arabische Bischöfe in der Kirche. Es handle sich um eine griechische Fremdherrschaft. Den Bischöfen wurde vorgeworfen, sie paktierten mit den Israelis, um Landgeschäfte

zu machen. Das Christsein im Heiligen Land wird durch solche Vorgänge nicht erleichtert. In dem Meer der moslemischen Bevölkerung sind die Christen nur eine kleine Insel, eine Insel, die schnell überschwemmt werden kann. Darum ist auch nicht Selbstherrlichkeit, sondern Miteinander, Ökumene, angesagt. Der lateinische Patriarch Michel Sabbah, ein Araber, ist, so Matthes, zu jeglicher christlichen Zusammenarbeit bereit. Die Bereitschaft muß ergriffen werden, wenn die Christen nicht im oder durch den Friedensprozeß zwischen Israelis und Palästinensern überschwemmt werden wollen.

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