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Der israelische Patriarch von Antiochia

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„Ein gerechter Friede, der nicht auf Gewalt und Druck basiert, muß im Mittleren Osten herbeigeführt werden. Als ich Erzbischof in Israel war, rief ich die Araber und insbesondere die mir unterstehenden gläubigen Christen zum Verbleiben in ihren Wohnstätten auf, bis alle, auch die, die ihrer Rechte enteignet wurden, wieder Genugtuung erfahren werden."

Dies erklärte der neue Patriarch von Antiochia und Oberhaupt der griechisch-katholischen Gemeinden im Nahen Osten und in der ganzen Welt, George Hakim. Die griechisch- katholische Gemeinde umfaßt ungefähr eine Viertelmillion Seelen und ist eine Abzweigung der griechisch- orthodoxen Kirche. Die griechischen Katholiken erkennen den Papst an und wohnen hauptsächlich im Mittleren Osten. Arabische Emigranten in Süd- und Nordamerika brachten ihre Religion auch in diese Regionen.

Der neue Patriarch von Antiochia — das geistige Oberhaupt der griechischen Katholiken — war bis zu seiner Wahl Erzbischof von Akko und Galiläa, und in dieser Funktion der geistige Führer der zirka 30.000 Seelen zählenden griechisch-katholischen Gemeinde im Staate Israel, die größte christliche Minderheit hierzulande.

George Hakim, der Patriarch von Antiochia, war für seine proisraelische Haltung sehr bekannt. Sie ging so weit, daß er seinen Gläubigen in Israel vorschlug, den wöchentlichen Ruhetag von Sonntag auf Samstag zu verschieben, den Sab- bath, Tag der Ruhe in Israel.

Während des Sechstagekrieges im Juni 1967 und auch schon einige Tage vorher, rief der damalige Erzbischof Hakim seine Gläubigen auf, dem Staate Israel Loyalität zu wahren und sprach auch persönlich im israelischen Rundfunk in diesem Sinne, nachdem er auch schon vorher einen Hirtenbrief an die ver-

schiedenen Gemeinden im Staate Israel verschickt hatte.

Auf dem letzten ökumenischen Konzil zu Rom setzte er sich für Annahme des „jüdischen Paragra- graphen“ (Documenta Judaica) ein und machte sich durch diese Stellungnahme bei den Bischöfen aus den verschiedenen arabischen Staaten, mit seinem damaligen Vorgesetzten, und zwar dem Patriarchen Al-Sayegh an der Spitze, sehr unbeliebt. Beobachter glaubten im allgemeinen nicht an die Chancen Erzbischof Hakims, diesen hohen Posten zu erreichen, besonders da sich das syrische Baath-Regime seiner Kandidatur widersetzte. Der syrische Radiosender von Damaskus griff Erzbischof Hakim wiederholt wegen seiner pro-israelischen Stellungnahme an. Die 21 Bischöfe, die Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten, Israel, Nord- und Südamerika vertreten, ließen sich nicht von der syrischen Stellungnahme beeinflussen, da gerade in den letzten Monaten das syrische Regime sich besonders feindselig gegenüber der griechisch-katholischen Kirche verhielt. Erzbischof George Hakim tritt an die Stelle des am 5. November 1967 verstorbenen Patriarchen Maxi- mos IV. Al-Sayegh und wird den Titel Maximos V. tragen.

Der neue Patriarch erklärte, daß er seinen Wohnsitz in Damaskus, der Hauptstadt Syriens, aufnehmen wird, einem der drei „Hauptquartiere" des griechisch-katholischen Glaubens. Die anderen beiden sind Jerusalem und Alexandrien.

Der Patriarch von Antiochia war bis zu seiner Wahl einer der profiliertesten arabischen Führer Israels. Er war nicht nur der Sprecher seiner eigenen Gemeinde, sondern fungierte im allgemeinen als der Sprecher der zirka 55.000 Seelen zahlenden Anhänger der in Israel vertretenen christlichen Religionen. Er war der einzige arabische Führer von Format und Autorität, der gegen den ultra-linken arabischen Kommunismus Stellung nahm. Er widersetzte sich auch den nationalistischen Tendenzen arabischer Jugendlicher. Statt dessen propagierte er völlige Integrierung der arabischen Minderheit in das israelische Leben.

Der neue Patriarch von Antiochia ist niemals ein gewöhnlicher Mitläufer gewesen, ganz im Gegenteil. Auch wenn er im Grunde genommen die Araber zur Kooperation mit Israel aufrief, mit allen Regierungsgremien in bestem Einvernehmen lebte und immer ein gern gesehener Gast bei allen diplomatischen Veranstaltungen war, ließ er es nicht an Kritik am Staate Israel fehlen.

In einem Interview mit dem Schreiber dieser Zeilen erklärte der damalige Erzbischof Hakim, daß das Flüchtlingsproblem im Mittleren Osten eines der Haupthindernisse für den Frieden zwischen Juden und Arabern ist. „Sogar die Ansiedlung oder Rückkehr eines einzelnen Flüchtlings bedeutet einen Schritt vorwärts zum Frieden." Erzbischof Hakim konnte es auch persönlich durchsetzen, daß einige tausend ehemalige arabische Flüchtlinge aus Syrien und dem Libanon — unter ihnen auch viele Mohammedaner — im Rahmen der Familienvereinigung nach Israel zurückkehren durften.

Der mittelgroße neue Patriarch ist mit seinem langen, wallenden, schwarzen Bart, der mit vielen grauen Haaren durchwachsen ist, eine Ehrfurcht erweckende Persönlichkeit. Er spricht außer arabisch ein gewähltes Englisch und fast fließend hebräisch. Er verfügt über Humor und ist Presseinterviews nicht abgeneigt. Im allgemeinen zeichnet er sich bei solchen Interviews durch wohl formulierte und schlagfertige Antworten aus. Jede Begegnung in Israel, jedes Gespräch in diesem Lande begann und schloß er mit dem Wort „Scha- lom“ — Frieden. Denn der lag ihm stets am meisten am Herzen.

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