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Hitler als AI Capone
Wäre Hitlers Machtergreifung aufzuhalten gewesen? Ja, meinte Brecht und schrieb ein Stück darüber, 1941 im finnischen Exil, damals, als Österreich annektiert, Polen erobert und Frankreich niedergeschlagen war Seinem Stüok gibt er folgenden Vorspruch mit: Es „ist ein Versuch, der kapitalistischen Welt den Aufstieg Hitlers dadurch zu erklären, daß er in ein ihr vertrautes Milieu versetzt wurde“.
Brechts Parabel „Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ ist also ein Schlüsselstück. Die deutsche Szene ist in das Chicago der dreißiger Jahre verlegt. Hitler, Hinden-burg, Papen, Röhm, Göring, Goeb-besl, Dollfuß, sie alle sind als Gangster der amerikanischen Unterwelt „getarnt“ — und es geht um — Karfiolhandel. Diesen wieder in Schwung zu bringen und den Bürgern zu ausreichender Arbeit zu verhelfen, bedient man sich des berüchtigten Gangsters Arturio Ui. Der allerdings fühlt sich im Bereich von Korruption, Erpressung, Bestechung, falscher Zeugenaussage wie ein Fisch im Wasser und wächst den anderen, die nur „den Umständen entsprechend und vorübergehend“ verbrecherisch handeln, gründlich über den Kopf. Schließlich hat die Stadt zwar Arbeit, aber auch einen skrupellosen, machtbesessenen Alleinherrscher über den gesamten Karfioltrust und auch über die naheliegende Stadt Cicero (deren Bürger, durch Gewalt korrumpiert, resignieren und sinnigerweise Tirolerhüte tragen).
Nun ist aber Karfiol und seine Verwertung nicht ganz schlüssig mit der Ideologie des Nazionalsozialis-mus gleichzusetzen. Denn wer könnte mit Hilfe des fanatischen Glaubens an Karfiol ein Tausendjähriges Reich aufbauen — oder gar die Massen mobilisieren, die übrigens hier, wie kaum in einem Brecht-Stück, schattenhaft im Hintergrund stehen,
Und gerade in die Psychologie dieser Massen einzudringen, die Hitlers Steigbügel hielten, ihre Begeisterung oder Resignation, ihr Mitläufertum zu analysieren, hätte im Sinn von Brechts Weltanschauung von einer aktiven Rolle und Aufgabe des Proletariats, seine Aufgabe sein müssen.
Statt dessen ist die Szene exotischamerikanisch — was geht uns schließlich der Karfiolhandel in Chicago an? —, das Personal das einer Al-Capone-Komödie mit recht bekannten dramaturgischen Gags. Dadurch, daß man in München die Handlung vor ein Symbol der „Hauptstadt der Bewegung“, die Feldherrnhalle, stellte, wurde nichts evidenter und nichts effektiver. In den einzelnen Szenen, die Brecht bei Klassikern entliehen hat, so die Gartenszene aus „Faust I“ und die Begräbnisszene aus „Richard III.“, dachte man wehmütig daran, wieviel besser vor allem Shakespeare die politische Geschichte seiner Zeit umzusetzen verstand.
Im Residenztheater lachte das Publikum zwar, aber das beklemmende oder das befreiende Gelächter blieben aus, obwohl ein Arsenal ausgezeichneter Schauspieler (Horst Sachtleben, Hans Quest, Edd Stav-janik, Nikolaus Paryla) tat, was es in diesem Falle konnte. Aufhorchen ließ nur die Szene, in der Hitler nach Anleitung eines Schauspielleh-rers- (hervorragend Heinz Leo Fischer) zu dem Hitler wird, den man heute noch von Filmen und Tonbandaufzeichnungen kennt. In Brechts Stüok beweist diese auch von Klaus-Jürgen Wussow (Arturo Ui) virtuos gemeisterte Szene allerdings nur die traurige Wahrheit eines Brecht-Zitats: „Blöd da steht nur das Volk, das auf den Komödianten hereingefallen ist und auf jeden neuen Kasperl genauso reinfallen wird.“ Warum? — Das weiß man nach dem „Unaufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ nicht.
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