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Keine Volksmission

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Die österreichischen Katholikentage haben eine Tradition. Wie sollte es anders sein in einem Lande, wo alles Tradition hat? Die deutschen Katholikentage werden viel häufiger abgehalten, zuerst jedes Jahr, nunmehr alle zwei Jahre. In dieser kurzen Abfolge ist alles schon eingespielt, manche Überlegungen kann man sich da ersparen.

Die österreichischen Katholikentage, in Abständen von zehn bis zwanzig Jahren abgehalten, können auf diese Art von Tradition nicht zurückblicken. Hier ist immer eine neue Generation am Werk, die meint, die Welt, Himmel und Erde, neu erschaffen zu müssen. Vielen fällt so vieles ein, daß es schwer ist, daraus klare und einfache Folgerungen zu ziehen.

Die österreichischen Katholikentage aber haben sehr wohl eine eigene Tradition: sie sind Antworten auf die gesellschaftlichen, politischen und sozialen Fragen der Zeit. Sie waren niemals nur rein religiöse Veranstaltungen, keine Volksmission, keine Exerzitien, keine Besinnungsstunden. Das religiöse Element war natürlich immer vorhanden, aber es war nicht allein und es war nicht dominierend.

Die österreichischen Katholikentage waren immer Ausdruck eines „politischen Katholizismus” im besten Sinne. Seit dieser „politische Katholizismus” alter Schule vielen Österreichern fragwürdig geworden ist, sind auch Katholikentage „fragwürdig”, d. h. wert und würdig, daß man sie befragt nach ihrer Motivation, und sie nicht als gegebene Tatsachen ganz einfach hinnimmt.

Die Katholikentage der Vergangenheit, vor allem vor der Jahrhundertwende, griffen offen jene Fragen auf, die damals das Gewissen der Christen bewegten.

In der sogenannten sozialen Frage ging es um die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit, um Frauen- und Kinderarbeit, um die Vertretung der „Klasse der Arbeiter und Handwerker” in eigenen Kammern. Die Katholikentage boten Gelegenheit, das Bildungsdefizit der österreichischen Katholiken zu besprechen sowie den mühsamen Aufbau einer eigenen katholischen Presse. Schließlich waren die Katholikentage auch das Forum, auf denen sich die Ablöse der politischen Vertretung der Katholiken von den Katholisch-Konservativen zu den damals revolutionären Christlich-Sozialen vollzog.

Träger dieser ersten Katholikentage waren zum Großteil Adelige, die vor allem in der sozialen Frage bahnbrechende Gedanken entwickelten. Die Namen des Prinzen Liechtenstein und des

Freiherrn von Vogelsang sind auch heute noch bekannt.

Der letzte große Katholikentag mit einer ausgesprochenen politischen Zielsetzung war der von 1933. Er sollte als „Allgemeiner Deutscher Katholikentag” in einem „Heiligen Jahr der Deutschen” eine Abwehrposition gegen den Nationalsozialismus beziehen. Es war ein letzter tragischer Versuch, Österreich von seiner „deutschen Aufgabe” her zu sehen. Vom „Heiligen Reich” war viel die Rede, und manche wechselten später vom Heiligen zum Dritten Reich.

Diesem Dritten Reich wollten freilich gerade bei diesem Katholikentag viele Österreicher einen „Christlichen Ständestaat” entgegensetzen. Auch dieser Versuch scheiterte, nicht nur weil die Zeit zu knapp, sondern auch weil den

Ansatz falsch war. Man kann päpstliche Enzykliken nicht in Staatsverfassungen umgießen.

Der Katholikentag von 1952 hatte insoferne auch eine politische Bedeutung, als er manchen Wegen der Vergangenheit, die sich als Irrwege erwiesen hatten, abschwor: der Staatskirche, der Parteikirche, aber auch den Versuchen und Versuchungen eines „christlichen” Staates.

Heute geht es nicht um eine politische Neubesinnung, wenngleich nach wie vor die Frage offenbleibt, in welcher Art sich die Katholiken in Zukunft politisch manifestieren werden. Dahinter steht aber letztlich die Frage: Wer vertritt wen in diesem Land?

Der Katholikentag soll ein großes Fest werden. Feste zu feiern ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht einer Gemeinschaft. Festlichęr Gast bei diesem Fest wird der Papst sein. Sein Besuch soll den Katholikentag erhöhen, kann ihn aber nicht ersetzen. Was bleiben wird, wissen wir heute noch nicht und nicht morgen, vielleicht erst in Jahren. In Ansätzen ist schon manches-spürbar — unten an der Basis, auf der die Zukunft der Kirche beruht.

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