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Machtkampf um das Wahlrecht

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Die Parteisekretariate wehren sich mit Händen und Füßen gegen ihre Entmachtung. Daher haben sie bei der Wahlrechtsreform (FURCHE 16/1988) sogar den Retourgang eingelegt.

Sie fürchten sich vor dem versprochenen Persönlichkeitswahlrecht. Und die Mehrzahl der Abgeordneten, die eine solche Reform beschließen müßten, fürchtet sich mit. Oder?

Beim gegenwärtigen Listenwahlrecht darf der Wähler zwischen Parteien wählen, aber das Gros der Mandatare steht schon lange vor irgendeiner Wählerentscheidung fest. Ein paar Kampfmandate werden noch verteilt.

Und wer einmal im Parlament sitzt, ersitzt sich im Regelfall — von wenigen Ausnahmen abgesehen — ein sicheres Mandat für die Zukunft. Avancement, Pension oder Tod machen den Weg für Kandidaten auf hinteren Listenplätzen frei, für Kandidaten, die sonst nur kosmetische Funktion haben: Dort dürfen sich die „echten“ Arbeiter der SPÖ und die „echten“ Selbständigen der ÖVP tummeln, viele Frauen und manche Junge. Als Aufputz für das Parteiimage, dem die „sicheren“ Kandidaten so wirklich nicht entsprechen.

Das ist erstens für die Parteien bequem, zweitens - unabhängig von jeder Wählerentscheidung — berechenbar und drittens ein Machtinstrument. Der Wähler wird dabei zur Randfigur.

Zugegeben: Manchmal hat er aufgemuckt. Hat durch das „Reihen und Streichen“ 1956 etwa Ludwig Weiß vom fünften auf den vierten Listenplatz vorgerückt, hat 1983 durch „Vorzugsstimmen“ Josef Cap ins Parlament gebracht. Doch insgesamt sind das Marginalien, Ausreißer im festgefügten System.

Dieses System hat sich fernab vom Bürger etabliert. Sogar bescheidene Vorwahl-Ansätze wurden schnell wieder abgedreht, weil das Ergebnis den Parteisekretariaten nicht in den Kram paßte.

Weil alles ausgemacht ist - und nicht nur scheint -, bleiben viele gleich zu Hause. Jhr“ Wahlkreisabgeordneter, „ihre“ Mandatarin wird ihnen sowieso aufgepfropft. Und wenn er aus einem anderen Wahlkreis stammt, weil es gerade ins Parteikonzept paßt.

So wählen ist fad, auch wenn jede Wahl besser ist als keine. So wählen läßt Nationalratswahlen zu Kanzlerplebisziten ausarten, für die Wahlkreiskandidaten nur als Staffage dienen.

Wie spannend könnten Wahlkämpfe sein, würde wirklich der Bürger wählen dürfen, wer ihn und seine Interessen im Wiener Parlament vertritt. Enttäuscht ihn die Frau/der Mann, dann nur einmal. Bewegung käme in die Politik, Leben ins Parlament.

Gute Abgeordnete dürften sich davor nicht fürchten. Oder sitzen im Parlament so wenige gute Abgeordnete? Wer sich nicht fürchtet, ist aufgerufen: Entmachtet die Parteisekretariate!

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