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Vom „großen Wurf" sehr weit entfernt

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Das vorläufige Ende einer schier unendlichen Geschichte: Nach sechs Jahren hin und her soll die geplante Wahlrechtsreform noch vor dem Sommer beschlossen werden. In dieser Woche geht es um die letzten Details der künftigen Regelung.

Schon ist von der nächsten Etappe die Rede, von der Reform der Reform, die das Stimmensplitting - eine Stimme für eine Partei, eine andere für einen Kandidaten (auch einer anderen Liste) -ermöglichen soll. Was Kanzler Franz Vranitzky da im Nachschlag zu den Bundespräsidentenwahlen scheinbar aktuell aus dem Zylinder gezaubert hat, ist letztlich auch schon ein alter Hut, der just im Rahmen der nunmehrigen Reform verworfen wurde. Die „gemeinsame Präferenz für die Trennung zwischen Direkt- und Parteistimmen" (Koalitionsübereinkommen vom 16. Jänner 1987) hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Auch die Abart des britischen K.o.-Systems in 100 Einerwahlkreisen, als Inbegriff der Personalisierung nach den Präsidentschaftswahlen wiederentdeckt, wurde verworfen.

Herausgekommen ist eine Mandatsverteilung auf drei Ebenen - Wahlbezirke, Bundesländerwahlkreise, Bund -wobei auf Bezirks- und Landesebene durch Vorzugsstimmen Persönlichkeitselemente gegenüber bisher verstärkt werden. Das heißt aber nur: Bei der Partei seiner Wahl kann der Bürger im Rahmen der vorgegebenen Liste Änderungen erreichen.

Womit sich - auch das soll man sehen

- die Schwerpunkte der Wahlauseinandersetzung verlagern werden: Innerhalb der Parteien - und nicht so sehr zwischen ihnen - wird auf Bezirksebene der Wahlkampf toben. Wer schafft die nötigen Vorzugsstimmen?

Natürlich bringen die kleineren Wahlbezirkseinheiten einen engeren regionalen Nahbezug, den oft geforderten besseren Kontakt zwischen Wählern und Gewählten, aber deshalb nicht unbedingt auch eine ausgewogene Vertretung. Da hilft dann auch keine noch so ausgetüftelte Quotenregelung.

Regionalem Denken kommt diese Reform sicher entgegen. Und wir werden damit leben lernen müssen, daß die überregionalen, die nationalen Belange

- gewählt werden ja die Volksvertreter zum Nationalrat - weiter in den Hintergrund treten. Mit allen Konsequenzen, die sich daraus auch für die parlamentarische Arbeit ergeben.

Diese Einwände sollen die Wahlrechtsreform nicht vermiesen. Aber der „große Wurf" ist sicher nicht gelungen. Auch wenn es das ideale Wahlrecht nicht gibt: ein besseres hätte man nach sechs Jahren doch erwarten dürfen.

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