6931052-1982_29_05.jpg
Digital In Arbeit

Angst vor Nachteilen

Werbung
Werbung
Werbung

Als ich am 28. Juni 1979 den Vorschlag einer Wahlrechtsreform machte, die sowohl das Persönlichkeitselement im Wahlrecht und damit den Kontakt zwischen Wählern und Mandataren in den einzelnen Bezirken stärken als auch dem Grundsatz der „Wahlgerechtigkeit” Rechnung tragen sollte, sagte der damalige ÖVP-Generalsekretär Sixtus Lanner in einer ersten Stellungnahme, auch die ÖVP sei im Prinzip für eine Verbesserung des Kontaktes zwischen Wählern und Politikern, doch müsse sie erst prüfen, ob eine solche Wahlrechtsänderung nicht „parteitaktische Vorteile für die SPÖ” bringe.

Heinrich Neisser erklärte wenige Tage später, die ÖVP sei prinzipiell zu einer solchen Reform bereit, jedoch nur unter der Bedingung, daß Gegenforderungen der ÖVP berücksichtigt werden.

Und wieder einige Tage später erklärte Erhard Busek, die Vorschläge seien nur „ein politischer Gag”. Damit war bereits ziemlich klar, daß sich in der ÖVP trotz vordergründiger Zustimmung die Gegner einer solchen Wahlrechtsreform durchgesetzt hatten.

Noch schneller und noch direkter fand die Freiheitliche Partei zu einer negativen Stellungnahme: Nachdem der damalige FPÖ-Obmann Alexander Götz zunächst nur seine „Skepsis” ausgedrückt hatte, legte der Abgeordnete Tassilo Broesigke in einem umfangreichen Zeitungsartikel („Die Presse” vom 15./16. September 1979) ausführlich die Position der FPÖ dahingehend dar, daß eine „Personalisierung im Wahlrecht” eine Illusion sei und man in der modernen Massendemokratie nur Parteien, nicht aber einzelne Mandatare wählen könne.

Der wahre Grund der Skepsis der FPÖ scheint darin gelegen zu sein, daß sie fürchtet, die Stärkung des Persönlichkeitselementes im Wahlkampf würde in jedem einzelnen Bezirk zu einem Wettbewerb der Kandidaten der beiden großen Parteien führen, bei dem naturgemäß der Vertreter der dritten Partei, der ja keine echte Mehrheitschance hat, in den Hintergrund gerät.

Die ÖVP befürchtet wiederum, daß bei den derzeitigen Stärkeverhältnissen im Parlament eine Mehrheit der Wahlkreise von der SPÖ erobert werden würde und sodann die dort gewählten Mandatare von einem „Kanzlerbonus” auf Bezirksebene profitieren würden.

Fairerweise muß hinzugefügt werden, daß es auch in der SPÖ nicht nur ungeteilte Zustimmung zu meinem Vorschlag gegeben hat, und zwar deshalb, weil manche Funktionäre befürchten, daß in Bezirkswahlkämpfen die wirtschaftliche Überlegenheit von ÖVP-Kandidaten und den sie finanziell unterstützenden Kreisen zu Buche schlagen könnte.

Dennoch möchte ich nicht verhehlen, daß ich nach wie vor eine Verbesserung des Kontaktes zwischen Mandataren und Bevölkerung auch von den institutionellen Voraussetzungen her für notwendig halte und glaube, daß man früher oder später auf dieses Modell, dessen Vorteile jedenfalls weit größer sind als seine Nachteile, zurückkommen wird.

HEINZ FISCHER Der Autor ist Klubobmann der SPO.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung