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„Nicht gerade sparsam.“

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Die Diskussion um die von der Regierung angekündigten „Gratisschulbücher“ hat hohe Wellen-geschlagen.

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Die Diskussion um die von der Regierung angekündigten „Gratisschulbücher“ hat hohe Wellen-geschlagen.

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Gratis — wie das von der Regie rumg angekündigt wurde — gibt e: allerdings in Österreich nichts, aucl nicht die Schulbücher. Diese werdei vielmehr, wenn die Regierung mi ihren Vorstellungen durchdringet sollte, aus dem Famdlienlastenaus-gleichsfonds bezahlt. Wodurch da Geld für andere Zwecke fehlt.

Kreisky und sein Team lassen ihr Schulbuchaktion unter dem Titel dei Chancengleichheit segeln. Jeder — gleichgültig, welche Schule er besuch

— soll durch die Kosten der Schul bücher keine unzumutbare Belastung tragen müssen, jeder soll siel

— nun mit Gratisschulfahrt un Gratisschulbüchern aus dem Familienlastenausgleich ausigestattet — die Schule suchen können, die seinei Begabung entspricht. Die Regierung wußte bei ihren Überlegungen abei nur zu genau, daß dieser Schrit nicht nur ungeheuer populär ist sondern auch durchaus „pädagogisch“: Ohne närrtlich den österreichischen Schülereltern etwas unterstellen zu wollen, liegt die Versuchung der Eltern, bei der Barauszahlung einer solchen Beihilfe diesi für andere Zwecke zu verwenden auf der Hand. Man darf nicht gleicl den schlechtesten Fall annehmen daß der Vater das Geld ins Wirtshaus trägt, sondern man muß be den Überlegungen miteinbeziehen daß auch die nächste Rate für da: Auto, für den Fernsehapparat fällij wird.

So gesehen, liegt die Regierung au dem richtigen Kurs. Dabei allerdings hat sie wesentliche Momente außei acht gelassen: So großzügig, wie mar jetzt mit „Wagwerfbüchern“ umgeht dürfte man nicht sein. Die Vorstellungen der Regierung sehen vor, dal der Schüler zu Schulbeginn einer „Schulbuchscheck“ in jenem Wer erhält, der für die Bereitstellung dei notwendigsten Schulbücher ausreicht. Die auf diesem Weg — vü Buchhändler — vorhandenen Schulbücher können nach Gebrauch weggeworfen werden. Zwar spricht mai höherenorts gerne von der Erzie hung zum Buch, doch dürfte für di derzeitigen Schulbücher kaum ein Überlebenschance bestehen. Diesi sind nämlich — das bringt die lau fende Schulreform mit sich — fü den Lehrinhalt wahrscheinlich ii kurzer Zeit unbrauchbar.

Unbrauchbar sind auch — un dieser Vorwurf ist niemandem n ersparen — die sogenanntei Schülerladen, die von Elterngemein den und kommunalen Einrichtungei im Laufe der Zeit unter groß Opfern an den einzelnen Schulei eingerichtet worden sind. Schul bücher im Wert von mehreren Millionen Schilling sind mit Ende de. laufenden Schuljahres unnütz -und somit billiges Brennmaterial.

„Populär“

Die Großzügigkeit, mit der die Re gierung verfährt, verblüfft einigermaßen: Denn in anderen Bereichei mangelt es an allen Ecken un Enden an Geld. Stromrechnungei der Schulen können nicht bezahl werden, Überstundenzahlungen an Lehrer sind überfällig und die Schulen selbst platzen aus den Nähten, weil nicht der nötige Raum zur Verfügung steht.

Es geht nämlich nicht einzig und allein darum, ob die Schulbücher „gratis“ sind oder nicht, sondern auch um die Tatsache, welche Schulbücher an den „kleinen Mann“ gebracht werden. Wie die Dinge zur Zeit liegen, wird sich das Schulbuch in Inhalt und Form im Laufe der Schulreform entscheidend ändern. Die Aufmachung der Lernhilfen ist zu aufwendig, der Inhalt zuwenig gerafft. Dem Unterrichtsministerium ist deshalb nicht der Vorwurf zu ersparen, daß es nicht für pädagogisch entsprechende Schulbücher — die in der Herstellung dann auch entsprechend billiger gekommen wären, wie Fachleute versichern — Vorsorge getroffen hat. Die Gegner der „Gratisaktion“ müßten in diesem Zusammenhang allerdings bedenken, daß die derzeitigen Schulbücher durchaus vom Lehrinhalt ihren Vorstellungen eher entsprechen als „sozialistische“ Lehrbücher. Vielleicht also ein Glück, daß die Regierung mehr auf populäre denn auf gesellschaftsändemde Politik aus ist...

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