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Nach Schrecksekunde von zehn Jahren aufgewacht

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Seit 1972, seit es die Schulbuchaktion gibt, will die Kritik nicht verstummen: Der Rechnungshof brandmarkte sie als „aufwendigste Form" der Versorgung mit Schulbüchern.

In der politischen Diskussion und in den Zeitungsspalten fanden kräftigere Worte Eingang: Was die Regierungspartei zum „Gratisschulbuch" hochstilisierte, war für die Opposition und Familienorganisationen das „Wegwerfbuch", Symbol einer Verschwendungspolitik der leichten Hand. Und sogar Schülervertreter karrten empört Schulbuchberge zu Unterrichtsminister Fred Sinowatz auf den Wiener Minoritenplatz.

Besonders „in Zeiten wie diesen" (SPÖ) steigt der Unmut über öffentliche Vergeudung an. Aufgeschreckt durch die erklärte Absicht der großen Oppositionspartei, die Kosten für die Schulbuchaktion im Falle der Regierungsverantwortung nach den Wahlen 1983 durch ein Mischsystem (Eigentum und Schülerlade) zu reduzieren, und alarmiert durch das Trommelfeuer gegen das „Wegwerfbuch" in der (sonst der ÖVP nicht eben wohlgesinnten) „Kronenzeitung" sind jetzt SchulbuchVerleger und Händler aufgewacht: nach einer Schrecksekunde von zehn Jahren.

Uber alle weltanschaulichen Lager hinweg hat man sich jetzt erstmals zu einer Gegenoffensive zusammengefunden und sich auf eine gemeinsame Sprachregelung eingeschworen. Der Tenor: billiger geht es einfach nicht.

Gottfried Gansinger, Direktor-Stellvertreter des Oberösterreichischen Landesverlages, kann dafür handfeste Zahlen vorlegen. Ein Leihsystem mit einer angenommenen Benützungsdauer von drei Jahren je Buch, so die Rechnung, würde zwar die Auflage um zwei Drittel senken, dafür aber das einzelne Schulbuch zwischen 70 und 100 Prozent verteuern.

Der Grund: Einband und Papier müßten wegen der längeren Nutzung besser werden, außerdem falle der Kostenvorteil höherer Auflagen weg. „Und was das Leihsystem kostet, kommt auch noch dazu" (Gansinger).

Außerdem, argumentieren die Verleger nicht unlogisch, würde die laufende Erneuerung der Schulbücher nach dem Lehrplan und die laufende Verbesserung der Auflagen unmöglich gemacht.

Dieses Argument läßt Werner Kiselka, Leiter des Arbeitskreises „Elternrecht und Schule" des Katholischen Familienverbandes und im Privatberuf in der Mineralölwirtschaft tätig, unter Hinweis auf die FURCHE-Serie über Schulbuchmängel nur beschränkt gelten. Andrerseits stimmt er mit den Verlegern darin überein, daß die Schulbuchaktion in Büchern, die Weltanschauung vermitteln (Philosophie, Lesebücher, Geschichte, Biologie), mehr Pluralismus gebracht habe: Hatte das vom österreichischen Bundesverlag, nunmehr unter der Geschäftsführung von SPÖ-Mann Kurt Biak stehend, angeführte Schulbuchkartell dereinst bei diesen Büchern einen Marktanteil von 90 Prozent, muß es sich heute mit 60 Prozent bescheiden.

Nutznießer dieser Entwicklung sind kleinere Verlage, die bei einer Abkehr vom derzeitigen System um Pluralismus und Existenz fürchten.

Dem widerspricht Kiselka: Die Auswahl der Bücher soll auch bei sparsamerer Gestaltung die Lehrerkonferenz, sogar unter Beteiligung eines Elternvertreters, treffen. „Nicht wer bezahlt, sondern wer auswählt hat Einfluß", antlaquo;-wortet er auf Verlegerängste.

Diese plagen auch solche um Arbeitsplätze bei einer Neuorganisation: 5750 Personen in Österreich sind derzeit in irgendeiner Weise mit Schulbüchern beschäftigt, allein 2400 im Buchhandel. Würde die Schulbuchaktion drastisch reduziert, käme es zu einer Existenzkrise in der Branche, die nur die Großen überleben könnten - zusätzlich zu den laufenden . Bemühungen sozialistischer Verlage, durch die Schaffung großer Vertriebssysteme kleinen Buchhändlern das Wasser abzugraben.

Trotz dieser Gefahren ist für den Katholischen Familienverband „die widmungswidrige Verwendung von Familiengeldern zur Belebung eines Wirtschaftszweiges unakzeptabel". Und er hält an der Forderung fest: Die Aktion muß sparsamer werden.

Im Gegenzug verweisen die Verleger auf acht konkrete Sparmaßnahmen, wodurch die Verteuerung der Schulbuchaktion — trotz gestiegener Schülerzahlen — deutlich unter der Steigerung der Verbraucherpreise liege. Außerdem koste ein Schulbuch nur die Hälfte eines Jugendbuches.

Aber natürlich könne und solle gespart werden: Wenn die Schulbücher in einer Mehrkinderfamilie oder im Bekanntenkreis weitergegeben werden können, müßten nur die neuen Schulbuch-Gutscheine nicht eingelöst werden.

Ohne den geringsten Anreiz, ohne einen erkennbaren Vorteil, in den Genuß des Sparens zu kommen, hält Kiselka diese Möglichkeit unmöglich. Vielmehr sollte den Eltern jeweils vor Schulbeginn das Schulbuchlimit bar ausbezahlt werden: „Man muß die Initiative der Leute stimulieren, wie sie billiger zu Büchern kommen."

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