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Seine Filme wurden ausgezeichnet und gleichzeitig verboten. Markus Im-hoof scheut nicht die Auseinandersetzung mit Themen unserer (unbewältig-ten) Vergangenheit.

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Seine Filme wurden ausgezeichnet und gleichzeitig verboten. Markus Im-hoof scheut nicht die Auseinandersetzung mit Themen unserer (unbewältig-ten) Vergangenheit.

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Ein Kino voller Schüler. Auf dem Programm steht Markus Im-hoofs neuester Film „Die Reise“ . Eine Szene zeigt verhaftete Studenten nach einer Demonstration in Berlin (1967), die sich äußerst provokant über die Polizisten lustig machen, die sie bewachen. Gejohle im Kino.

Ein Lehrer ist nach der Vorführung betroffen: vom Haß seiner Schüler gegen die Polizei, von der Solidarität mit den Provokateuren. Soweit sie den Führerschein noch nicht haben, ist diesen Schülern die Polizei wahrscheinlich eher durch die Medien bekannt:

Opernball 1987, und Hainburg ist auch noch nicht zum Vergessen weit entfernt.

Imhoof hat „Die Reise“ für diese Generation gemacht, mit vielen Fragen an sie. Frei nach Bernward Vespers gleichnamigem Romanfragment wird auf drei Erzählebenen die Thematik des Vater-Sohn-Konfliktes behandelt, vor dem Hintergrund bundesdeutscher Geschichte, die Imhoof allerdings an sehr empfindlichen Punkten trifft: einerseits geht es da um die Bewältigung des Nationalsozialismus, andererseits wird ein Kapitel jüngster deutscher Geschichte angesprochen, der Terrorismus, näherhin die Entstehung der RAF.

Der Film „Die Reise“ wurde gerade in der BRD von der Kritik sehr schlecht angenommen. Damit muß aber ein politischer Regisseur wie Imhoof immer rechnen. Er greift in fast allen seinen Filmen politische Themen auf, die er selbst allerdings oft gar nicht so „politisch“ meint. Es gehe ihm mehr um den einzelnen Menschen, betont er, Politik sei nämlich die Summe von verschiedenen menschlichen Handlungen.

Aber ganz kommt er von seinem Image nicht los: schon seine ersten Arbeiten, noch Dokumentationsfilme, riefen Widerspruch hervor: „Rondo“ (1968, über ein

Schweizer Zuchthaus) und „Or-men is 199+69“ (1969, über die Schweizer Kavallerie) wurden mit zahlreichen Auszeichnungen und gleichzeitig auch mit einem Aufführungsverbot in der Schweiz versehen.

Dieses Wechselbad erfuhr Imhoof danach auch bei seinem (in Osterreich) wohl bekanntesten Film „Das Boot ist voll“ , der für den Oscar als bester ausländischer Film 1982 nominiert wurde, in der Schweiz erst nach dem internationalen Erfolg Unterstützung fand.

Wie aktuell gerade der Film ist, in dem es um die Haltung der Schweizer im Zweiten Weltkrieg den flüchtenden Juden gegenüber geht, wurde in diesen Tagen wieder sehr bewußt: am vergangenen Wochenende stimmten die Eidgenossen näm-Hch mit Mehrheit für eine neuerliche Verschärfung der Asybrechte ab, ähnlich denen von 1944.

Hinter dem „politischen“ Image Imhoofs, das er zwar imgewoUt, aber nicht zu Unrecht trägt, verbirgt sich einer, der vor allem filmisch eine subtile Sprache spricht, die nicht gesehen wird.

„Die Reise“ , Schlußbild: Florian, das Kind, beißt den gepanzerten Polizisten, der ihn behutsam aus dem rauchenden Haus herausträgt, in dem gerade sein Vater mit einem polizeilichen Großaufgebot verhaftet wird, in den Arm. Stehbild. „Für Florian“ . Eine Frage an alle, besonders aber an die Generation seiner Kinder, ob der Kreislauf des ständigen Provozierens und Sich-wehren-Müs-sens einmal aufhört.

Imhoof im Gespräch: Wir haben unsere eigenen Kinder für und zur Freiheit erziehen wollen. Die Kinder unserer Generation sind zwar selbständige Menschen, aber sie sind eher eine ruhige und unpolitische Generation. „Ich habe das Gefühl, daß wir imsere Kinder alleingelassen haben.“

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