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Prokofieff-Erstaufführung in München

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Im Jahre 1946 erlebte die lyrisch-komische Oper „Die Verlobung im Kloster“ von Sergej Frokofjew in Leningrad ihre Uraufführung. Das Bayerische Staatstheater am Gärtnerplatz hat jetzt sein respektables slawisches Repertoire mit der Münchner Erstaufführung dieser „Verlobung im Kloster“ erweitert, leider aber nicht bereichert. Da das Werk ziemlich unbekannt ist, soll eine ganz knappe Inhaltsangabe vorausgeschickt werden.„Die Verlobung im Kloster“ im Gärtnerplatztheater

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Im Jahre 1946 erlebte die lyrisch-komische Oper „Die Verlobung im Kloster“ von Sergej Frokofjew in Leningrad ihre Uraufführung. Das Bayerische Staatstheater am Gärtnerplatz hat jetzt sein respektables slawisches Repertoire mit der Münchner Erstaufführung dieser „Verlobung im Kloster“ erweitert, leider aber nicht bereichert. Da das Werk ziemlich unbekannt ist, soll eine ganz knappe Inhaltsangabe vorausgeschickt werden.„Die Verlobung im Kloster“ im Gärtnerplatztheater

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Jeröme, der seine Tochter Luisa mit einem reichen, aber unsympathischen Fischhändler verheiraten möchte. Luisa jedoch — wie sollte es auch anders sein — liebt den jungen Edelmann Antonio, während ihre Freundin Clara in unglücklicher Liebe zu Ferdinand entbrannt isl und deshalb in ein Kloster geht. Durch Tausch der Vornamen kommt es zu den bewährten Verwechslungsszenen der Opera buffa und in einem Kloster — in dem man auch einer deftigen Sauforgie von Mönchen beiwohnt — wird schließlich Verlobung gefeiert, deren Gültigkeil sich auch Don Jeröme nicht widersetzen kann, was geradewegs zum Hochzeitsfinale führt.

Diese simple Handlung bedürfte freilich der szenischen Aufwertung durch den vollen Einsatz von Phantasie, Komödiantik und Ironie. Abel Peter Kertz, der Chefdramaturg des Hauses, der in diesem Fall für die Regie verantwortlich zeichnet, ha1 mit dem Bühnen- und Kostümbildner Hubert Popp ein Szenarium ausgebrütet, das jeden Einfall im Keim erstickt. Wie soll sich ein buffoneskes Spiel in einem Rahmen herstellen lassen, der in seinen düsteren, strengen Schwarz-Weiß-Konturen an Lorcas „Bluthochzeit“ erinnert. Bei Lorca kann man sich diese ausgesparte Ausstattung leisten, denn hiei wirkt die Kraft der Aussage, das Gewicht des dichterischen Wortes.

Bei dieser „Verlobung im Kloster“ erschlägt jedoch das „nackte“ Sevilla jeden Ansatz zu einer, der neoklassizistischen Partitur Prokofleffs entsprechenden, ironisierenden Interpretation. Prokofieff soll selbst daran gezweifelt haben, ob er nun eigentlich eine lyrische oder komische Oper geschrieben habe. Kertz entschied sich für das Lyrische, ei jagt einer Belcanto-Oper nach und übersieht dabei, daß sich diese Inszenierung auf der Stelle bewegl und das Publikum hilflos von Bild

711 Rilrl auf Hip prnßp TTherrasrhnne wartet, die nicht kommt, ganz einfach, weil sie dem Regisseur nicht eingefallen ist.

Einen Ansatz, wie es hätte werden können, schenkt uns Heinz Friedrich als Don Carlos mit seinem Auftritt: „Auch ich war einst ein Jüngling.“ Sonst aber geschehen Ungeheuerlichkeiten, wenn beispielsweise die Dienerinnen dem reichen Fischhändler Wasser ins Gesicht schütten (das war im 18. Jahrhundert nun doch nicht möglich!), wenn im streng behüteten Nonnenkloster die Galane herumklettern wie in einem Wildgehege, wenn die Damen der Gesellschaft „schutzlos“ auf der Straße herumlaufen, wenn gar der Vater beim ersten Zusammentreffen seiner Tochter mit dem Freier das Liebespaar alleine läßt, oder den Mönchen nichts anderes einfällt, als sich nach den stampfenden Rhythmen Prokofleffs im Kreise zu drehen. Man muß sich also wohl oder übel an die musikalische Interpretation halten und Ulrich Weder hat die Partitur mit großer Sorgfalt einstudiert, er animiert Ensemble und Orchester zur Präzision und verhilft dem Witz und dem Pointenreichtum dieser Musik zu bester Entfaltung. Mit einem gewissen Mitgefühl sieht man, wie sich ein lebenslänglicher Heldentenor einen alten Komödiantentraum erfüllt (Sebastian Feiersinger als Don Jeröme), auch retten Gisela Ehrens-perger (Luisa), Frederic Mayer (Don Antonio), Alexander Malta (Mendoza) und Jörn W. Wilsing (Don Ferdinand)1 das gesangliche Niveau der Aufführung, während Gretel Härtung (Duenna), Hanna-Rose Wald (Clara) und Soto Papul-kas (Pater Eustache) enttäuschten.

Das Münchner Gärtnerplatztheater hat sein Publikum mit so einfallsprühenden Inszenierungen verwöhnt, daß es sich jetzt gefallen lassen muß, am eigenen Maßstab gemessen zu werden, es besteht jedoch keine Gefahr, daß diese „Verlobung“ Schule machen wird!

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