Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Uber das süße Bonzen-Leben
Alle Menschen sind gleich, nur einige sind eben gleicher — und: reicher. Und dies gerade auch in solchen Staaten, die das Gleichheitsideal hochhalten und die Uberwindung der Klassengegensätze auf ihre Fahnen geschrieben haben; gerade hinter der Fassade des ach so gerechten „realen Sozialismus" wuchern Verschwendung, Korruption, Cliquenwirtschaft, Protektion. Ihren stundenlang vor Geschäften um Lebensmittel anstehenden Mitbürgern predigen Osteuropas „Bonzokra-ten" Wasser; sie selber wollen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf den Wein nicht verzichten.
Der Journalist Jan Richard hat nun aus allen Staaten Osteuropas im sowjetischen Einflußbereich offiziell und inoffiziell (durch Bürgerrechtler) bekannt gewordene Fälle von Machtmißbrauch zusammengetragen:
Während das Bemühen um tägliche Güter des Lebens für den einfachen Osteuropäer zu einem permanenten Existenzkampf wird, frönen die Mitglieder der Nomenklatura — vom Provinz-KP-Funktionär über regimekonforme Wissenschafter und Künstler, Angehörige der Armee- und Sicherheitsorgane bis hin zu ZK-Mitgliedern —hinter ihren von Polizisten und Geheimdienstleuten abgeschirmten Villenvierteln dem luxuriösen Leben.
Ihnen stehen eigene, auch mit westlichen Luxusgütern gut ausgestattete Geschäfte zur Verfü-
gung, die besten Krankenhäuser und Ärzte bemühen sich um ihr gesundheitliches Wohlergehen. Mit etwas Druck von außen schaffen die Sprößlinge der Nomenkla-turisten spielend die Schulen und Universitäten und damit die ersten Sprossen der Karriereleiter. Um sich vom stressigen Polit-All-tag richtig ausspannen zu können, bauen sich die Damen und Herren Bonzen eine oder mehrere Datschas in Erholungsgebieten.
Mit Abstand am besten schneidet in Richards Buch Ungarn unter dem auch privat bescheidenen und persönlich integeren Staatschef Janos Kadar ab. Zum Teil unbekannt und höchst aufschlußreich ist das Material, das der Autor über Polen und die CSSR präsentiert. Gelungen sind auch die Kapitel über die Sowjetunion und die DDR.
Geradezu Ekel packte den Rezensenten, als er über das ganze Ausmaß der Familien-Cliquenwirtschaft in Bulgarien und vor allem Rumänien las. Die kommunistische Familien-Dynastie, die Rumäniens eitler „Conducator" Ceaucescu errichtet hat, zählt zu den wohl groteskesten Auswüchsen in der osteuropäischen Nomenklatura-Gegenwart ...
Jan Richard hat mit seinem Buch George Orwells Polit-Fabel „Farm der Tiere" in die Realität übersetzt.
... UND IMMER MUSS ES KAVIAR SEIN. Das süße Leben der Funktionäre im Ostblock. Von Jan Richard. Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, München 1983. 256 Seiten, geb., öS 232,50.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!