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Zwei Parteitage

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Anläßlich des 30. ordentlichen Parteitages der SPÖ ist mir ein anderer Parteitag vor mein geistiges Auge getreten: Der mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Parteitag 1967, auf dem Bruno Kreisky gegen den Widerstand konservativer Parteikreise zum Vorsitzenden der SPÖ gewählt wurde.

Das Szenarium dieses denkwürdigen Parteitages ist mir noch in lebhafter Erinnerung: ein schwer angeschlagener Parteivorsitzender Bruno Pittermann, der in seinem Rechenschaftsbericht keine Spur von Selbstkritik und Einsicht zeigte, sondern nur Attacken gegen die ÖVP und die Medien, die ihn angeblich schlecht gemacht hatten, ritt. Pittermann kam aber damals mit dieser durchsichtigen Taktik nicht durch, weil es einen Herausforderer gab, der in Ubereinstimmung mit der öffentlichen Meinung inner-und außerhalb der Partei eine personelle und inhaltliche Alternative präsentierte, an der die Taktik Pittermanns und der Versuch, Hans Czet-tel als Scheinalternative vorzuschieben, scheiterte.

Einer der Bundesländervertreter, der damals vehement für Kreisky und für eine Erneuerung der Partei eintrat, war der einflußreiche burgenländische Landespolitiker Fred Sinowatz, dessen Aufstieg mit diesem Engagement für Kreisky begann.

Zwanzig Jahre später: ein schwer angeschlagener Fred Sinowatz trat unter dem doppelten Unstern eines gerichtlichen Vorspiels und des drohenden Debakels seiner Politik im Burgenland zur Wahl an, ritt Attacken ä la Pittermann, tat, als ob nichts geschehen wäre, und wurde, gegen die öffentliche Meinung und unter dem Unbehagen einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Delegierten, gewählt beziehungsweise, wie der innerparteiliche Fachausdruck lautet, „durchgezogen“.

Eine fast völlige Verkehrung der Situation! Obwohl die Situation diesmal wie damals nach einer Alternative schrie, war Franz Vranitzky unfähig oder unwillig, über den eigenen Schatten zu springen und den Parteivorsitz an sich zu reißen. Auch sonst zeigte sich kein Herausforderer. Allenthalben waltete nur Rücksicht und Vorsicht.

Die SPÖ hat sich durch diesen Schritt, ohne daß alle Beteiligten die Tragweite des Vorganges begriffen, durch Schließung der Reihen im Krebsgang von der offenen Partei Bruno Kreiskys zur geschlossenen Partei rückentwickelt. Die historischen Folgen, sowohl in der Wählergunst als auch in der innerparteilichen Atmosphäre, werden nicht ausbleiben. Und auch Sinowatz selbst wird seines Pyrrhussieges nicht froh werden.

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