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„Die römische Kron’…

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… gehört auf die böhmische“, sagte ein altes Sprichwort. Davon mußte scheinbar der Verfasser eines vom amtliche tschechoslowakischen Reisebüro herausgegebenen Werbebriefes etwas gehört haben. Aber leider haperte es sonst mit seinem historischen Wissen. Denn sonst hätte er nicht folgendes schreiben können:

„Die römischen Kaiser waren gewöhnlich Herrscher aus dem böhmischen Fürstengeschlecht der Prze- mysliden. Der Größte von ihnen — Karl IV. — gründete um die Mitte des 14. Jahrhunderts die berühmte Prager Universität. Auch heute werden bei bedeutenden Anlässen die Krönungskleinodien ausgestellt.“

An dieser Darstellung stimmt einiges nicht. Denn die Przemysliden trugen nie die römische Kaiserkrone. Der einzige der sie versuchte zu erlangen, Przemysl Ottokąr II., verlor in der Schlacht bei Dürnkrut sein Leben. Der erste böhmische König, der römischer Kaiser wurde, war tatsächlich Karl IV. Er war von seiner Mutter her zwar ein halber Przemyslide, aber in die Geschichte ist er als ein Herrscher aus dem Geschlecht der Luxemburger eingegangen. Auch sein Sohn Wenzel wurde zum deutschen König gewählt — die Voraussetzung für die Krönung zum römischen Kaiser —, abęr voę den Kurfürsten abgesetzCpef zweite Sohn Karls IV., igismuitd, trug die römische Kröne' vc i 1410 t is 1437. Erst seit den Habsburgern waren die böhmische Königskrone und die römische Kaiserkrone ständig vereint, wodurch es zu dem oben zitierten Spruch kam. Die Habsburger nahmen als Kurfürsten von Böhmen jeweils an der Kaiserwahl in Frankfurt teil. Auch die Habsburger waren mit den Przemysliden verwandt, aber halt doch keine Przemysliden. So waren die römischen Kaiser tatsächlich gewöhnlich die Herrscher aus dem böhmischen Fürstengeschlecht, aber keine Przemysliden. Und der größte Przemyslide war nicht Karl IV.

Arme Geschichte! Aber vielleicht kann sich der Verfasser nicht, wie gewöhnlich, damit ausreden, daß er gerade in der Schule gefehlt habe, als diese Fakteh vorgetragen wurden, sondern schon eher damit, daß diese Zusammenhänge, als er die Schule besuchte, gar nicht gelehrt wurden.

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