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Credo in Österreich

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II.

Eine Darstellung der konfessionellen Entwicklung in Österreich seit dem Jahre 1945 wäre unvollständig, wollte man die für die Bundeshauptstadt charakteristischen Verhältnisse in der konfessionellen Struktur einfach übergehen:

Der Anteil der römisch-katholischen Bevölkerung in Wien verringerte sich von 1869 bis 1934 um rund elf Prozent und erfuhr dann bis 1951 eine Zunahme um 3,5 Prozent. Die Protestanten vermochten ihren Anteil im gleichen Zeitraum auf mehr als das Doppelte zu erhöhen. In den Anteilsätzen der Bevölkerung des israelitischen Glaubensbekenntnisses drückt sich deutlich

das tragische Geschick der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft aus, die durch Emigrationen seit 1934, später außerdem durch Deportationen und Massenvernichtung fast völlig ausgerottet wurde. Die kleineren Religionsgemeinschaften waren innerhalb des Vergleichszeitraumes im Jahre 1934 am stärksten vertreten; die Konfessionslosen treten erstmals 1934 anteilsmäßig in Erscheinung und werden bis 1951 immer zahlreicher.

Die Zahlungsunwilligen

Eine Übersicht über die Kirchenbeitragspflichtigen der wichtigsten Religionsgruppen in Wien in der Zeit von 1949 bis 1962 (für 1945 bis 1948 liegen keine Ergebnisse vor) zeigt, daß nur bei den Katholiken die Anzahl der Kirchenbeitragspflichtigen während dieses Zeitraumes um 2,3 Prozent gesunken ist, während die Protestanten im Jahre 1962 um 27 Prozent, die Altkatholiken um sieben Prozent und die Israeliten sogar um 104 Prozent mehr beitragspflichtige Mitglieder zählen als 1949.

zent der Austritte von 1945 ein Tiefpunkt. Seit 1953 wurde die Anzahl der Austritte von 1945, in den Jahren 1960 und 1961, mit 97 und 98 Prozent wieder knapp erreicht, in keinem Jahr aber mehr überschritten.

höher. Seither traten In allen Jahren mehr oder minder große Verringerungen ein, und der tiefste Wert wurde mit 16 Prozent im Jahre 1960 erreicht; 1962 machen die Eintritte

17 Prozent der Anzahl von 1945 aus. Zwischen 1945 und 1962 gaben 6700 Personen ihren Eintritt und 4748 Personen ihren Austritt bekannt. Der Zuwachs im Verlauf von

18 Jahren betrug also 1952 Personen.

Verluste der Israeliten

Die Ein- und Austritte der israelitischen Religionsgemeinschaft waren zahlenmäßig gering, so daß im folgenden nur die absoluten Werte in den einzelnen Jahren ausgewiesen werden sollen. Die meisten Austritte erfolgten 1950, und zwar fünfmal so viel wie 1945. Bis 1953 erfolgten jährlich knapp bis etwas mehr als das Vierfache der Austritte von 1945.

Die Austritte aus der römisch- katholischen Kirche in Wien neh- fliöiiZbiS zürn Jahr 1962 eineh':ähn liehen Verlauf wie jene hri'gäiiiefr Bundesgebiet, erreichen in den Jahren 1951 und 1952 mit dem elffachen des Wertes von 1945 ihren Höhepunkt, fallen dann aber steiler ab als die für ganz Österreich errech-

sammen) hatten in den ersten Nachkriegsjahren die meisten Austritte Zu Verzeichnen, die zwischen 40 und 58 Prozent zahlreicher waren als 1945. Die folgenden Jahre zeigten zwar keine einheitliche Entwicklung; nach mehreren Schwankungen ergibt sich für 1956 mit 64 Pro

Die Eintritte in die evangelische Kirche erreichten in den Jahren 1947 und 1948 mit dem rund dreifachen Wert des Jahres 1945 ihren Höhepunkt, schwankten in den folgenden Jahren zwischen Zunahmen von 115 und 29 Prozent und waren 1962 nur noch um 16 Prozent höher als 1945. Im Verlauf von 18 Jahren fanden 19.732 Eintritte und 18.102 Austritte statt; die evangelische Kirche in Wien hatte während dieser Zeit einen Zuwachs von 1630 Personen zu verzeichnen.

Die Altkatholiken in Wien verloren durch Austritte in den Jahren 1946 bis 1952 jährlich zwischen 16 und 90 Prozent mehr Personen als 1945. Die Jahre 1953 und 1954 brachten einen plötzlichen Rückgang der Austritte mit sich, während in den Jahren 1955 und 1956 fast wieder der; Ausgangswert von 1945 erreicht wurde. 1960 brachte mit 5ft Prozent der Austritte voh 1945 einen Tiefstand; die beiden letzten Jahre hatten um 32 und 31 Prozent weniger Austritte zu verzeichnen als 1945.

mal so hoch wie 1945, in den beiden nächsten Jahren nur noch um 43 und 58 Prozent höher, und machten 1962 nur noch neun Prozent des Wertes von 1945 aus. Zwischen 1945 und 1962 erfolgten 1061 Ein- und 1414 Austritte; es ergab sich ein Verlust von 353 Personen.

Während der Jahre 1945 bis 1962 legten in Wien insgesamt 19.251 Personen eine Gottgläubigkeits- oder Glaubenslosigkeitserklärung ab;

Die Eintritte in die altkatholische Kirche waren nur 1946 zahlreicher als 1945 und lagen um 32 Prozent

neten Werte, weisen aber ebenfalls in den Jahren 1958 und 1959 Tiefstände auf — jeweils knapp das Vierfache der Austritte von 1945. In den Jahren 1961 und 1962 wurden ungefähr sechsmal soviel Austritte verzeichnet als 1945.

Die Ein- und Übertritte (Rücktritte) in die römisch-katholische Kirche haben seit 1945, mit einer einzigen Schwankung (1953 54) kontinuierlich abgenommen, und ihre Zahl macht 1961 (ein Ergebnis für 1962 liegt gegenwärtig noch nicht vor) nur sieben Prozent der Eintritte von 1945 aus.

Die eben besprochenen Zahlen stammen, wie auch die folgenden, aus dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien und betreffen Ein- (Über-) und Austrittserklärungen vor dem Seelsorger der einzelnen Konfessionen. Die hier für die römisch-katholische Kirche ausgewiesenen Zahlen decken sich nicht mit jenen der Erzdiözese Wien.

Zwischen 1945 und 1961 erfolgten insgesamt 77.251 Eintritte und 57.151 Austritte aus der katholischen Kirche in Wien; somit verbleibt ein Zuwachs von 20.100 Personen im Verlauf von siebzehn Jahren.

Die Protestanten (AB und HB zu-

In den Jahren 1949 bis 1953 gab es 14- bis 24mal soviele Konfessionslosigkeitserklärungen als 1945 — es ist dies die Zeit der besonders zahlreichen Kirchenaustritte. Bis zum Jahre 1960 erfolgte wohl ein Rückgang auf das Sieben- bis Zehnfache, die Jahre 1961 und 1962 brachten aber einen neuerlichen Anstieg, und es erklärten sich 13mal soviel Personen als 1945 für konfessionslos.

Die labile Großstadt

Für Wien gilt besonders, daß die Hauptursachen eines Religionswechsels oder einer Konfessionslosigkeitserklärung in eherechtlichen Problemen zu suchen sein dürften. Gerade in Wien zählen zweite, dritte und mehrfache Eheschließungen, nach vorangegangenen mehrmaligen Scheidungen nicht zu den Seltenheiten. Wie weit andere Gründe persönlicher, weltanschaulicher, vielleicht auch manchmal beruflicher Art und ähnliche, nicht erfaßbare Faktoren mitbestimmend wirken, läßt sich nicht aussagen. Die Anonymität des Großstadtlebens, die Kontaktarmut des Großstadtmenschen mit seiner Nachbarschaft, das Gefühl, der nächsten Umgebung für seine Handlungen oder Unterlassungen Rechenschaft ablegen zu müssen, all das schafft im großstädtischen Milieu oft losere Bindungen zur Kirche und zur Religionsgemeinschaft, erleichtert gewiß den Entschluß zu einem Aus- oder Übertritt, der dann nur mehr dem eigenen Gewissen gegenüber zu verantworten ist

(Ende)

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