6709584-1964_14_08.jpg
Digital In Arbeit

Ein dauerndes Auf und Ab

Werbung
Werbung
Werbung

In der folgenden Tabelle soll, rückschauend auf rund 100 Jahre, die Entwicklung der konfessionellen Struktur der Wiener Bevölkerung dargestellt werden:

, . Von 100 der Bevölkerung gehörten

folgenden Bekenntnissen an:

, w

t v v ot o

o öd u> 'S

JSSt BS! 3 £

v ca o ^ g 5

d > w P O ü

JdS ^ — 3 M w

1857 94,9 2,3 2,8 0,0

1869 89,9 3,3 6,8 0,0

1880 85,7 3,6 10,5 0,2

1890 87,7 3,1 9,1 0,1

1900 87,4 3,3 9,2 0,1

1910 87,0 3,8 9,0 0,2

1923 81,6 4,8 11,9 1,7

1934 78,9 5,9 11,1 4,1

1939 78,4 7,1 5,9 8,6

1951 82,3 7,7 2,3 7,7

1961 81,3 8,1 2,6 8,0

Aus dieser Ubersicht ergibt sich für die katholische Kirche anteilmäßig ein leichtes Absinken zwischen 1890 und 1939. Erst in jüngerer Vergangenheit trat hierin eine leichte Besserung ein. Bei den Angehörigen der evangelischen Bekenntnisse ergibt sich um die Jahrhundertwende ein nur vorübergehender, leichter Frequenzschwund. Im Laufe der letzten hundert Jahre hat sich die Zahl der evangelischen Christen aufs Dreieinhalbfache

/ermehrt. Die Zahl der Personen >hne Glaubensbekenntnis hat sich mit einem Anteil von 0,2 Prozent der Wiener Bevölkerung im Jahr 1910 bis 1939 auf 8,6 Prozent erhöht. Nach einer geringeren Anteilsquote 1951 von 7,7 Prozent ist auf Grund der Volkszählung 1961 wieder eine höhere Quote von 8,0 Prozent feststellbar. Der Frequenzanteil der Juden betrug 1910 in Wien 2,9 Prozent, 1934 2,8 Prozent und 0,2 Prozent im Jahr 1951.

Bei den Eintritten: Stabilisierung

Ein dauerndes Auf und Ab in der Zahl der einzelnen Religionsangehörigen ergibt sich nicht nur aus den Geburten und Sterbefällen, Zu-und Abwanderern, sondern auch durch den Aus-, Ein- und Wiedereintritt aus oder in eine Religionsgemeinschaft.

Nimmt man die Austritte aus der katholischen Kirche des Jahres 1948 zum Ausgangspunkt, so zeigt sich um das Jahr 1949 knapp eine Verdoppelung. Im Jahr 1951 hat sich die Zahl der Austritte bereits verdreifacht. Dieser Zug hält auch noch 1952 an. Von da an nehmen die Austritte Jahr für Jahr ab. Um das Jahr 1958 ist ungefähr wieder der Stand von 1948 erreicht

Ganz anders zeigt sich die Entwicklung der Eintritte beziehungsweise Wiedereintritte in die katholische Gemeinschaft. Gemessen an 1948, zeichnet sich von 1952/1953 an eine gewisse Stabilisierung ab, die 1956 bis 1958 noch deutlicher wird.

Zur Entwicklung der Aus- und Eintritte bei der katholischen

Religionsgemeinschaft sei noch ein Überblick über die Jahre von 1958 bis 1-962—gegeben. In dieser Zeit haben in Wien mehr als 15.000 Personen vor den magistratischen Bezirksämtern ihren Austritt erklärt. Diesen Austritten stehen in der gleichen Zeit etwas mehr als 7500 Eintritte gegenüber. Bei den evangelischen Christen betrugen für die gleiche Zeit die Austritte mehr

als 4300, die Eintritte rund 4000. Konfessionslos haben sich von 1958 bis 1962 rund 14.500 Personen erklärt.

Zwei Drittel: Verheiratete

Von den Austritten aus der katholischen Kirche im Jahr 1962 entfallen 53 Prozent auf die Männer und 47 Prozent auf die Frauen. Rund zwei Drittel der Austritte stammten von verheirateten Personen. Mehr als 20 Prozent waren Personen ledigen Standes. An erster Stelle stehen die Einunddreißig- bis

Einundvierzigjährigen, ihnen folgen die Einundzwanzig- bis Einunddreißig jährigen, die Einundfünf zig-bis Einundsechzigjährigen und schließlich die Einundvierzig- bis Einundfünfzigjährigen.

Für die evangelischen Bekenntnisse ist bei den Austritten der Anteil der Frauen etwas höher; er ist rund 50 Prozent. In der Struktur der Altersschichtung liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei den Katholiken.

1962 sind übrigens 230 Personen aus der Kirche ausgetreten, die mehr als 71 Jahre alt waren. Unter

hnen waren knapp die Hälfte ilraueBni sriam^terftrißW rtosn i

)ft sind es die Ehet>h>DfeiäeH'',',pW

Bei einem Komfessiowswechsel der der Erklärung der „ Konfes-rtonslosigkeit“ sind nicht immer, wahrscheinlich sogar selten, reine j-lauibensprobleme maßgeblich.

Neben politischen Ursachen spieen auch Eheprobleme häufig mit.

Die Ehe war und bleibt noch immer der gute Maßstab für die Gesinnung der Gesellschaft, denn mit ier Ehe ist das öffentliche Wohl und las Wohl des Staates maßgeblich verbunden. Daher wird auch dieser Institution da und dort ein mehr xler weniger starker Schutz zuteil. Entgegen dem Volksmiunid („Ehen werden im Himmel geschlossen“) hat es der Mensch von heute zustande gebracht, sie vielfach schon hier auf Erden wieder zu zertrümmern. Wenn heute im sozialen Bereich das Gestern ud Heute oft im schroffen Gegensatz in Erscheinung treten, so gilt dies im besonderen auch für die Beziehung der Geschlechter und der Ehe. Viele Menschen von heute nehmen mehr oder weniger deutlich imd auch stillschweigend die Ehe nicht als eine Bindung fürs ganze Leben, sondern spielen mit dem stillen oder ausgesprochenen Gedanken, das Füreinandersein im Bedarfsfall auch zu liquidieren. Erschütternde Zahlen über die Scheidungen in der Großstadt sind in der „Furche“ mehrmals veröffentlicht worden. Scheidungen sind häufig der Anlaß für Austritte aus der katholischen Kirche, für die die Unlöslichkeit des Ehebandes göttliches Gesetz ist. Umgekehrt begünstigt die religiöse Abkehr des Großstadtmensohen den Zerfall der Ehen.

In richtiger Erkenntnis der Ursachen der heute herrschenden Glaubenslaibilität meint Th. Blieweis in seiner Publikation „Ehen, die zerbrachen“: „Der praktische Unglaube in weiten Schichten der Bevölkerung ist am Niedergang vieler Ehen mehr schuld, als wir wahr-haben wollen. Eine Ehe, in der beide von echter christlicher Religiosität erfüllt sind, wird niemals zerbrechen.“ Hier scheint das Zentrum der religiösen Labilität in der Großstadt bloßgelegt. Und hier eröffnet sich auch ein weites Feld für die Großstadtseelsorger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung