Ein Tag Erwachsen-Sein

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Im Minopolis in Wien lernen Kinder Berufe, verdienen Geld und geben es wieder aus. Sabina Auckenthaler hat dort mit ihrer vierjährigen Tochter einen harten "Arbeitstag" verbracht.

Um 14:00 öffnet die Kassa. Die erste Station ist für alle gleich: in der Raiffeisenkasse bekommen wir eine gelbe Tüte, die mit dem Startguthaben von 110 Eurolinos, der Währung in der Kinderstadt, gefüllt ist. Wir stopfen die Spielgeldscheine in eine der gelben Bauchtaschen, die in einem großen Korb bereitliegen - die Reise kann beginnen.

Die Einkaufswagerl vor dem Mini-Hofer-Geschäft ziehen Isabella sofort an. Geschickt schiebt sie das extra für Minopolis im Kleinformat angefertigte Wagerl durch die Reihen. Ich schaue durch eine Scheibe zu, wie sie Jungzwiebeln, Mineralwasser und Apfelessig hineinpackt. Und 27 Schokoriegel. An der Kassa unterstützt ein etwa 18-jähriger Betreuer zwei kleine "Kassiererinnen" in blauen Hofer-Kitteln. Jede Station wird von einem speziell geschulten Kinder-Coach betreut. 73 Eurolinos nimmt der Coach der Vierjährigen für ihren Großeinkauf aus der Bauchtasche, was ihr herzlich egal ist. Meine Tochter gehört zu den Jüngsten der Zielgruppe, die mit vier bis zwölf Jahren angegeben wird. Zwei "Regalschlichter" nehmen den vollen Einkaufswagen sofort in Empfang und räumen alles zurück. Sie bekommt für ihre Einkaufsrunde einen Schokoriegel und läuft zurück zur Mama.

An der Fensterscheibe des nahe gelegenen "Krankenhauses" steht: "Medizintechnik, die den Menschen hilft." Jede Station in der Kinder-Stadt wird von einem oder mehreren Unternehmen gesponsert, das Spital unter anderem von Siemens. Einen medizinischen Beruf zu erproben, kann nicht schaden, denke ich. Das Kind tritt ein und die junge Stations-Betreuerin fragt: "Willst Babys wickeln?" Isabella sieht die Babypuppen und nickt. Ausgestattet mit einem weißen Kittel beginnt das Spiel. Drei Jungs zwischen sechs und neun erklärt die Betreuerin, dass sie Augenärzte sein können. Sie könnten aber auch umherziehen und die Leute impfen. An einem Werktag wie heute seien nämlich nicht so viele Patienten zu erwarten. Die Jungs entscheiden sich für den "Augenarzt". Endlich kommt ein junger Patient, vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Er braucht einen Sehtest für den Kranführerschein. Die Betreuerin trägt seinen Namen in einen rosa Ausweis ein. Derweil versuchen seine Mama und sein Papa ihm zu erklären, was die "Augenärzte" von ihm wollen. Endlich benennt der Kleine die Tiere auf der Tafel, die sie ihm mit einem Stab zeigen. Alle sind zufrieden, er bekommt das Attest, der Papa hilft beim Bezahlen.

Zu klein für den Führerschein

Isabella hat indessen genug von den Säuglingen. Sie bekommt 20 Eurolinos für ihre Mithilfe. Es zieht sie zum "Fahrbereich", wo die Kids in kleinen VW-Beatles über die Fahrbahn düsen. Leider fehlen ihr für den "PKW-Führerschein" rund 20 cm Körpergröße. Enttäuscht trottet sie hinter der Mama drein, die sich Richtung Stiege begibt. In "Uptown" riecht es nach frischem Brot. Wir folgen dem Duft und kommen in die Ströck-Backstube. An einer großen, kreisförmig angelegten Theke sitzen drei Kinder, auf der anderen Seite steht eine Betreuerin. Auch meine Tochter bekommt eine Ströck-Arbeitsschürze und eine Ströck-Papiermütze. Nun darf sie ein Stück vorbereiteten Hefeteig zu einer Schnecke rollen und Sesamkörner und Salz draufstreuen. In 20 Minuten sollen wir das fertig gebackene Brötchen holen. Wir begeben uns solange ins Stylingstudio. Obwohl es sich etwas versteckt im hinteren Eck von "Uptown" befindet, haben viele "Kundinnen" hierher gefunden. Acht kleine Mädchen warten darauf, dass die Betreuerin ihnen Cleopatraaugen schminkt. "Soll ich dich als Schmetterling schminken?", fragt sie Isabella. Ein sehnsüchtiger Blick auf die Cleopatraaugen der anderen. Dennoch willigt sie ein: "Ja, mit ganz viel Glitzer!" Der Wunsch wird erfüllt.

Auf dem Weg zur "Kunstakademie" holen wir das selbst geformte Ströck-Brötchen, wofür fünf Eurolinos zu bezahlen sind. Es wird augenblicklich verspeist. Die Akademie wird von Libro und Stabilo gesponsert. Die Betreuerin, die an einem Pult sitzt, hält Isabella einen Pack Blätter hin: "Wenn du zu dem Thema, das da drauf steht, etwas malst, bekommst du 30 Eurolinos", erklärt sie. Mein Mädchen zieht einen Zettel: "Eine Figur aus deinem Lieblingsfilm." "Hast du eine Lieblingsfigur?", fragt die Betreuerin. Sie nickt: "Einen Schmetterling." Die Leihgebühr für fünf Stabilo-Buntstifte beträgt vier Eurolinos, Wasserfarben kosten etwas mehr. Ein A3-Blatt kostet nochmals drei Eurolinos. Isabella setzt sich an den großen Tisch und malt. Für den fertigen Schmetterling wird die junge Künstlerin gelobt und bezahlt. Sie will aber lieber ihr Bild mitnehmen, was sie natürlich auch darf.

Auf der "Baustelle" stürzt sich meine Kleine auf einen roten Mini-Schubkarren. Sie lädt rote Ziegel hinein, leert sie aus - mehrmals. Zwei größere Mädels stapeln Ziegel zu einer Wand übereinander, ein paar Kids stecken auf einer Schrägwand Plastik-Dachziegel zu einem Dach zusammen. Die Station wird unter anderem von OBI und vom Ziegelhersteller Wienerberger gesponsert. Für das Plakat, das das Porotherm-Ziegelbausystem von Wienerberger zeigt, interessieren sich die Kinder nicht.

Nun will Isabella dorthin, wo es "diese Sackerl" gibt, mit denen alle rumlaufen. Wir begeben uns zur Chips-Factory. Mit Kelly's-Kapperl und Schürze gewappnet darf die Vierjährige als "Verkosterin im Labor" arbeiten. Die größeren "Verkoster" testen selbständig Kelly's Snips und Kelly's Chips und tragen auf einem Fragebogen neben ihrem Alter ein, wie sie Geschmack, Farbe und Verpackung der Produkte finden. Dann dürfen sie die Snips noch mit Curry oder Paprika nachwürzen und auf einer Skala ankreuzen, wie ihnen das schmeckt. Isabella dagegen verkostet sie nur "pur". Ich lächle der kleinen "Laborantin" von hinter der Fensterscheibe zu, während diese eine Packung Snips verzehrt. Ein weiteres Sackerl bekommt sie als Wegzehrung mit. Die Station hat ihr gut gefallen, auch wenn sie nicht weiß, welchen Beruf sie ausgeübt hat. Nach vier Stunden verlassen ein sattes Kind und eine müde Mama die Mini-Erlebniswelt. Das Mädchen erzählt ihrem Vater später, dass es mit Puppen gespielt hat, die richtige Windeln angehabt haben.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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