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Kampf im Politbüro

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Vielleicht eingedenk des Machtkampfes, der in Moskau nach Stalins Tod entbrannte, bestimmte Ho Tschi Minh fast zehn Jahre vor seinem eigenen Tod in der Person von Ton Duc Thang einen unumstrittenen Nachfolger, denn Thang war ein ehrwürdiger kommunistischer Revolutionär und an keine der Fraktionen innerhalb der nordvietnamesischen Hierarchie gebunden.

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Vielleicht eingedenk des Machtkampfes, der in Moskau nach Stalins Tod entbrannte, bestimmte Ho Tschi Minh fast zehn Jahre vor seinem eigenen Tod in der Person von Ton Duc Thang einen unumstrittenen Nachfolger, denn Thang war ein ehrwürdiger kommunistischer Revolutionär und an keine der Fraktionen innerhalb der nordvietnamesischen Hierarchie gebunden.

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Nun hat die Volksversammlung in Hanoi die von Ho getroffene Wahl pflichteifrig bestätigt, indem sie den 81jährigen Thang tatsächlich zum Rang des Präsidenten erhob. Dadurch, daß sie Nguyen Long Bang, ein anderes wenig bekanntes Mitglied des Zentralkomitees der kommunistischen Lao Dong-Partei, für den frei gewordenen Posten des Vizepräsidenten wählte, hielt sich die Volksversammlung im übrigen an den von Ho geschaffenen Präzedenzfall.

Jetzt erwartet man aber in dem neun Mann starken Führungskollektiv des Politbüros einen Machtkampf um die äußerst wichtige Position des Vorsitzenden des Zentralkomitees, die gleichfalls Ho innehatte.

„Aushängeschild“

Als er 1960 Thang zu seinem Nachfolger erkor, umging er die mächtigeren und besser bekannten Mitglieder des Politbüros. Bezeichnenderweise sind weder Thang noch der neue Vizepräsident Mitglieder des Politbüros.

Die meisten Beobachter sehen in Lee Duan, dem Ersten Sekretär der Partei, und in dem Chefideologen Truong Tschinh die Hauptbewerber um den Parteiivarsitz.

In zwei wichtigen Fragen, nämlich in der Kriegsstrategie und in der Agrarpolitik, haben die beiden gegenteilige Meinungen verfochten. Der Umstand, daß weder das eine noch das andere Problem gelöst wurde, hat diese Rivalität noch verschärft.

Für das Gemetzel im Verlauf der unglückseligen Bodenreform in den Jahren 1954 bis 1956 mußte Tschinh den offiziellen Sündenbock abgeben. Damals Erster Sekretär der Partei, wurde er fallengelassen, als Ho schließlich den öffentlichen Anprangerungen und Hinrichtungen von „Grundbesitzern“ und „Verrätern“ Einhalt bot. Lee Duan wurde Erster Sekretär.

Im Stile kommunistischer Selbst-

kritik gestand Tschinh, „im begrenzten Ausmaß Fehler“ begangen zu haben.

Als ausdauernder und beredter Kritiker seiner Kollegen im Politbüro befürwortet Tschinh im Vietnamkrieg eine Strategie ausgedehnter Guerillaaktionen statt großangelegter Kampfhandlungen regulärer Truppen. Für die letztere Taktik setzt sich unter anderem Lee Duan ein.

Noch nichts entschieden

Nach den schweren Verlusten der Nordvietnamesen und des Vietkong in den großen Offensiven des Vorjahres (bekanntlich wurden außer der Mondneujahrsoffensive im Februar und März auch im Mai und August kommunistische Großangriffe unternommen) versäumte es Tschinh nicht, seinen an einen „schnellen Sieg“ glaubenden Kollegen in der Parteiführung ihren Irrtum um die Ohren zu reiben. Gleichzeitig benützte er die Gelegenheit, Lee Duans Wirtschaftspolitik zu kritisieren, wobei er behauptete, daß Nordvietnam sich in der Gefahr eines „Rückfalls in den Kapitalismus“ befinde, denn landwirtschaftliche Kommunen verpachteten dem Staat gehörendes Land an Bauern zur privaten Bebauung.

LeeDuan sah dieSache jedoch anders. Da die Bauern bis zu 40 Prozent ihres Einkommens aus privaten Grundstücken beziehen, würde seiner Ansicht nach jede Einmischung es „der Kollektivwirtschaft unmöglich machen, stabil zu sein“.

Gegenwärtig scheint jedoch Tschinh an beiden Fronten im Vorteil zu liegen. Die nordvietnamesische Kriegsstrategie beruht sichtlich auf dem Gedanken eines „ausgedehnten Guerillakrieges“, und im Mai wurde ein neues Gesetz erlassen, das die landwirtschaftlichen Kommunen dazu anhält, von verpachtetem Boden wieder Besitz zu ergreifen.

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