"Die Jugend ist schlichtweg super"

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Egon Blum ist der "Pionier der Lehrlingsausbildung" in Vorarlberg. Jetzt soll sein Erfolgsmodell in ganz Österreich Anwendung finden. Im Furche-Gespräch erläutert der neue Regierungsbeauftragte für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung, welchen Ausbildungsmix er sich wünscht. Und er erklärt, warum er in 30 Jahren noch keinen Lehrling rausgeschmissen hat.

Die Furche: Herr Blum, wie bewerten Sie die Situation am Lehrstellenmarkt? Ihre Berufung als Regierungsbeauftragten ist doch wohl ein Zeichen, dass es sehr ernst ist?

Egon Blum: Die Lehrstellensituation ist in ganz Mitteleuropa angespannt. Wir sehen die schwierige Lage in Deutschland. In Österreich ist es ebenfalls ernst, auch wenn es im Vergleich zum vorigen Jahr nicht schlimmer geworden ist. Wenngleich, keinen Ausbildungsplatz zu haben, ist für jeden einzelnen Jugendlichen ein großes Problem - und das sollte es auch für die Gesellschaft sein.

Die Furche: Was wurde in der Politik verabsäumt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Blum: Jetzt nach Schuldigen zu suchen, ist vergebene Liebesmüh, weil es an der Situation nichts ändert. Ich setze meine Energie dafür ein, Vorschläge für die Zukunft auszuarbeiten. Man darf das Problem auch nicht abgekoppelt von weltweiten wirtschaftlichen Vorgängen betrachten: Neue Technologien brauchen höhere Qualifikationen. Gleichzeitig können Unternehmen weniger Hilfskräftetätigkeiten anbieten. Folglich bekommen heute bedeutend weniger Jugendliche, die nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung absolvieren, einen Arbeitsplatz als früher.

Die Furche: Das heißt, für weniger Qualifizierte wird es in Zukunft noch schwieriger, einen Job zu finden.

Blum: Davon müssen wir ausgehen. Es wird schwieriger, einen Lehrplatz zu bekommen, weil die Erwartungshaltung der Unternehmen hinsichtlich der schulischen Anforderungen steigt. 1970 hatten wir im Schnitt 18 Prozent der Jugendlichen, die nach der Pflichtschule keine Berufsausbildung angestrebt haben. Heute sind es nur mehr zwischen zwei und vier Prozent, die mit dem Pflichtschulabschluss aufhören. Das Ergebnis ist, dass weit mehr Lernleistungsschwache einen Ausbildungsplatz anstreben.

Die Furche: Bislang versuchte der Staat, Betriebe mit Steueranreizen zur Aufnahme von Lehrlingen zu ermuntern. Ist das der richtige Weg?

Blum: Ausbildende Unternehmen zu entlasten, ist grundsätzlich begrüßenswert. Nachdem es nun aber Firmen mit unterschiedlichen Betriebserfolgen gibt, wirken sich die Entlastungen nicht überall im Ergebnis gleich wirksam aus. Ich orientiere mich daher am "Vorarlberger Fondsmodell", das mit Mitteln der öffentlichen Hand noch in der Wirkung zusätzlich verstärkt werden sollte.

Die Furche: Was macht das Vorarlberger Modell so erfolgreich?

Blum: Die Vorarlberger Elektro- und Metallindustrie hat vor 30 Jahren eine Offensive zur Lehrlingsausbildung gestartet. Kern des Projekts: Ein Ausbildungsfonds, in den alle Betriebe einzahlen. Jene Unternehmen, die den Erwartungen entsprechend ausbilden, bekommen nach einer Art Zwischenprüfung des Lehrlings im zweiten Lehrjahr eine Rückerstattung. Entscheidend ist, dass dieses Modell auf die kleinste Einheit, nämlich die Fachgruppe ausgelegt ist und pro Bundesland durchgeführt wird.

Die Furche: Warum sind hier kleine Einheiten am effizientesten?

Blum: Warum soll ein Industriesektor das Gewerbe oder den Handel sponsern? Die Betriebe zahlen ihre Beiträge ja freiwillig ein. Deshalb muss das Geld in der Fachgruppe und im Bundesland bleiben, dann ist das im eigenen Interesse. Außerdem: Die Lehrlinge, die bei einer Firma gut ausgebildet werden, beeinflussen den regionalen Arbeitsmarkt positiv.

Die Furche: In Deutschland wird an einem Gesetzesentwurf gearbeitet, laut dem Betriebe, die keine oder zuwenig Lehrlinge einstellen, Strafe zahlen. Ein Weg für Österreich?

Blum: Das kann ich nicht begrüßen. Ich habe nichts dagegen, wenn der Staat Druck macht, aber bei diesem deutschen Modell fehlt mir die Berücksichtigung des Faktors Qualität. Das Ziel muss doch sein, mehr Jugendliche qualitativ hochgradig auszubilden. Wenn Unternehmen Lehrlinge anstellen, nur um keine Strafe zu zahlen, steht die Qualität der Ausbildung sicher nicht im Mittelpunkt. Ausbildung kann nie über Zwang gehen, das muss über die Vernunft gehen. Wir müssen wieder erkennen, wie wichtig die duale Ausbildung für unser Land ist. Da ist eine gesellschaftliche Neuorientierung nötig. Es kann doch nicht sein, dass sich Eltern entschuldigen müssen, wenn ihr Kind eine Lehre macht.

Die Furche: Hat der Slogan "Karriere mit Lehre" also wenig Imageverbesserung für die Lehre gebracht?

Blum: Die Lehre wird immer noch weit unter ihrem Stellenwert gehandelt. Berufs- und Schulwahl sollte mehr nach Eignung und Neigung erfolgen und nicht nach gesellschaftlichem Image. Bei uns ist es so, dass sehr viele wegen dem Statussymbol Matura in Schulen gedrängt werden. Daran kann kein noch so toller Slogan etwas ändern.

Die Furche: Wie wollen Sie unsere Gesellschaft wieder für die Lehre begeistern?

Blum: Ich will keinen Jugendlichen, der lernstark und lerninteressiert ist, von einer schulischen Ausbildung abhalten. Ich will für jene Jugendliche eine Alternative schaffen, die praktische Fähigkeiten haben, Lernleistungsvermögen haben, aber keine Schultypen sind. "Karriere über eine Lehre" ist für mich der beste Slogan. Deshalb versuche ich den Ausbildungsmix Lehre und Matura zu fördern. Bereits jetzt ist es möglich, sich während der Lehre auf die Matura vorzubereiten und Einzelprüfungen zu absolvieren. Das wissen nur wenige; das wäre aber der ideale Qualifikationsmix zwischen Theorie und Praxis. Diese Leute haben den Vorteil, theorie- und praxiskompetente Berufe annehmen zu können - und Unternehmen schätzen das sehr.

Die Furche: Sie haben im Beruf viel Kontakt mit Jugendlichen. Was haben Sie für ein Bild von der Jugend?

Blum: Super, einfach sehr gut. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hab in 30 Jahren noch keinen Lehrling aus betrieblicher Sicht rausgeschmissen. Die Jugend ist schlichtweg super. Wenn man der Jugend zu verstehen gibt, dass man an sie glaubt - dann können sie mit unserer Jugend alles machen. Was nicht geht, ist Dinge zu verlangen, die wir Erwachsene nicht bereit sind, selber vorzuleben. Wer aber unserer Jugend vertraut und ihr das auch beweist, wird von ihr nicht enttäuscht.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Werkzeugmacher als Regierungsbeauftragter

"Warum glauben Sie, ist der Bundeskanzler auf mich als Regierungsbeauftragten gekommen", fragt Egon Blum sein Visavis von der Furche und gibt die Antwort gleich selber: "Weil der Beschlägehersteller Blum eine mustergültige Lehrlingsausbildung vorzuweisen hat. Dutzende Medaillen haben wir bei Berufsolympiaden gewonnen."

Der Ruf Egon Blums als "Pionier der Lehrlingsausbildung" ist weit über die Grenzen seiner Heimat Vorarlberg hinaus bekannt - und wird parteiübergreifend honoriert: unter anderem mit dem "Anton Benya Preis" - eine ungewöhnliche Auszeichnung für einen Arbeitgebervertreter.

Egon Blum wurde 1940 in Höchst am Bodensee geboren. In den fünfziger Jahren absolviert er eine Lehre als Werkzeugmacher, macht die Werkmeisterprüfung und sammelt Auslandserfahrungen. 1970 kehrt er nach Höchst zurück und beginnt seine Arbeit beim Beschlägehersteller Blum (die Namensgleichheit ist zufällig). Zuständig ist Blum beim größten Vorarlberger Arbeitgeber für die Bereiche Technik und Lehrlingsausbildung. Bei Zweiterem setzt Blum mit seinem Fonds-Modell Maßstäbe, die er im Auftrag der Regierung auf ganz Österreich übertragen soll.

Privat ist Blum dreifacher Vater und fünffacher Opa und ein Musikus, der den Erlös seiner CD-Aufnahmen der Christoffel-Blindenmission zur Verfügung stellt.

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