Ein "Glaubenskrieg" der etwas anderen Art

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Für die einen ein glatter Verstoß gegen die Bauordnung, für die anderen pure Fremdenfeindlichkeit: Beim Streit um eine Moschee in Traun (OÖ) geht es weniger um Religion als um den eigenen Standpunkt.

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Für die einen ein glatter Verstoß gegen die Bauordnung, für die anderen pure Fremdenfeindlichkeit: Beim Streit um eine Moschee in Traun (OÖ) geht es weniger um Religion als um den eigenen Standpunkt.

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Es nieselt. Auf dem nassen Pflaster der Bahnhofstraße herrscht Vormittagsbetrieb: Überwiegend weibliche Passanten, die meisten mit Korb und Regenschirm, manche ein Kleinkind an der Hand. Hie und da durchbricht in der Fußgängerzone ein farbenfrohes Kopftuchdas regnerische Grau-in-Grau.

In Traun ist Ruhe eingekehrt: Nach dem medialen Paukenschlag des ORF-"Report" vom 4. Juli über den drohenden Abriss der "Mescid-Ül Aksa Moschee" zeigt die 25.000-Einwohner-Stadt wieder ihr Alltagsgesicht. Auch im Trauner Volksheim, ein paar Straßenzüge von der Bahnhofstraße entfernt, herrscht betonte Unaufgeregtheit. Nur zwei Journalisten haben sich ins "Extrastüberl" zum Pressegespräch von Bürgermeister Peter Schlögl (SPÖ) verirrt - "dabei haben sich so viele angemeldet, auch der ORF", meint die Pressereferentin mit leiser Enttäuschung. Immerhin: "Report"-Zuseher in ganz Österreich waren Tage zuvor Zeugen eines Integrationskonflikts geworden.

Die Vorgeschichte reicht zurück bis ins Jahr 1997. Der wachsenden muslimischen Gemeinde war die Moschee - untergebracht in einem Bauernhaus am Stadtrand - zu eng geworden. Auf der Suche nach einem zweiten Gebetshaus wurde sie schließlich in der Bahnhofstraße im Zentrum fündig.

Umstrittener Umbau Im April 1998 wurde in der aufgelassenen Eisenlagerhalle umgebaut: Drei Wasserhähne für die rituellen Waschungen vor dem Freitagsgebet wurden installiert, Rigipswände aufgezogen - ohne Baubewilligung. Ein Holzzubau diente als Gebetsraum. Zusammen mit einem Lebensmittelgeschäft und einem "Kebab"-Lokal war das Gebäude vor allem Heimat von Muslimen türkischer Herkunft. Rund 150 Mitglieder verrichteten hier allfreitäglich ihr Gebet. Bereits am 4. Mai 1998 schritt - nach einer anonymen Anzeige - die Baubehörde ein, erzählt Günther "Ahmed" Rusznak, der damalige Sprecher des Islamischen Vereins. "Diese Umarbeiten waren nicht bewilligungspflichtig. Auch eine Gruppe von Architekten war dieser Meinung. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Bürgermeister den Einspruch noch ablehnen können - wenn er nicht unter dem Druck der FPÖ gestanden wäre", ist der vor fünf Jahren zum Islam konvertierte Österreicher überzeugt. Im Juni 1998 schließlich machte die FPÖ im Parteiorgan "Dialog" mobil: Die Moschee würde die Existenz der Anrainer-Geschäfte in der Fußgängerzone bedrohen, heißt es in dem Blatt. "Der Ausländeranteil in Traun beträgt sagenhafte 17 Prozent" und "in der Bahnhofstraße fühlt man sich fast schon wie am Balkan." Die FPÖ-Aussendung machte böses Blut und veranlasste den Schrifsteller Rusznak zum Gegenschlag: Er verständigte "Heimat, fremde Heimat" und befestigte an der Moschee ein Plakat, das gegen den Bürgermeister polemisierte. Im November 1998 erließ Bürgermeister Schlögl aus rechtlichen und Sicherheitsgründen einen Abbruchbescheid, der durch die Instanzen wanderte und überall zu Gunsten der Stadtgemeinde entschieden wurde. Die muslimische Gemeinde vermied den Gang zum Höchstgericht, der Abriss war beschlossene Sache. Am 9. Juli sollte das Gebäude endgültig geräumt werden. Nun wird der Billigstbieter für einen Abbruch ermittelt. Realistischer Zeitpunkt der zwingenden Räumung: September.

Auf der Suche nach einem Ersatzquartier blieben die Muslime erfolglos ("Es hieß immer: Seid's ihr wahnsinnig?"). Schließlich sah man in einer medienwirksamen Demonstration den letzten Ausweg. So verrichteten am 23. Juni 200 Moslems in der Bahnhofstraße auf Teppichen, bei strömendem Regen und vor der Linse des ORF-Kamerateams ihr Freitagsgebet.

Noch am Abend der "Report"-Ausstrahlung kam es zum Zerwürfnis innerhalb der Gemeinde: Man habe eine "Palastrevolution" gegen ihn unternommen, schildert Rusznak die Ereignisse: "Nach dem Report waren wir in der Moschee verabredet. Eigentlich hätte die Stimmung gut sein müssen, doch dann hat sich ein Gespräch zwischen einem Nichtmitglied der Gemeinde und Osman Cetinkan vom Türkisch-Österreichischen Integrationszentrums entwickelt - auf türkisch." Erst nach längerem Bitten um Übersetzung sei deutlich geworden, "was die beiden polemisieren: Der Bürgermeister sei völlig schuldlos und die Hauptschuld trage ich." Daraufhin habe er seine Funktion als Sprecher zurückgelegt - "und auch gleich meine Mitgliedskarte beigelegt." Für die muslimische Gemeinde sieht Rusznak nun schwarz: "Die neuen Verantwortlichen haben sofort einen Termin beim Bürgermeister bekommen und glauben, jetzt wird alles gut - in Verkennung der Tatsache, dass der keinen Finger für sie rührt."

Indes freut sich der Ortschef im "Extrastüberl" über den Führungswechsel. "Jetzt gibt es keine Probleme mehr. Die Gemeinde dachte immer, im Recht zu sein. Das hat ihnen Rusznak anders vermittelt. Doch ich selbst habe das Recht durchgesetzt." Überhaupt lasse er sich nicht als Ausländerfeind hinstellen: Es handle sich um eine "rein rechtliche Geschichte". Für die 3.000 Muslime in Traun und Umgebung werde einiges getan: In der Volksschule gebe es eine interkulturelle Klasse und auch den Integrationsverein. Bei der Suche nach einer neuen Moschee könne er jedoch nicht helfen. Außerdem "ist es nicht üblich, dass man ein neues Quartier sucht, wenn jemand illegal baut." Auch eine symbolträchtige Unterstützung, um sich zu profilieren, sei seine Sache nicht: "So eine Profilierungssucht habe ich nicht."

Versöhnliche Signale Mittlerweile haben sich die Regenwolken über Traun verzogen. Wenige Straßen vom Volksheim entfernt stehen drei Männer in Arbeitskluft vor einem Lebensmittelgeschäft mit rotem Halbmond. Vor dem Laden türmen sich auf einem hölzernen Gestell Wassermelonen, daneben Waffeln, Gewürze und Kaffee. Unter den Debattierenden auch Osman Cetinkan vom Integrationsverein. Seine Stimmung nach dem Gespräch mit dem Bürgermeister schwankt zwischen Hoffen und Bangen: "Wir wollten Zeit gewinnen, denn in Traun ein neues Zentrum zu finden ist unmöglich. Demonstrationen wird es aber keine mehr geben." Gemeinsam mit einem Vertreter der Bürgerinitiative "Land der Menschen" und Osman Gülec, dem Obmann der muslimischen Gemeinde, sollten friedlichere Töne angeschlagen werden. Dennoch kann sich auch Cetinkan einen Seitenhieb auf den Bürgermeister nicht verkneifen: "Wenn er gewollt hätte, hätte er uns schon einen Grund geben können." Den Rückzug Rusznaks bewertet er als positiv. Auch die Demonstration war seine Sache nicht. Das Hauptproblem seien überhaupt die Medien: "Je mehr geschrieben wird, desto größer wird die Ausländerfeindlichkeit. Ich habe auch telefonische Drohungen bekommen." Die Trauner hätten gar kein Problem mit der Moschee. Auch er "möchte Frieden haben mit Ausländern und Traunern."

Versöhnliche Worte auch im Gebetshaus in der Bahnhofstraße: "Wir suchen keine Schuldigen", meint ein Gemeindemitglied in weißem Malerkittel. Im spärlich eingerichteten Raum duftet es nach schwarzem Tee, aus der Kebab-Küche dringt der Geruch von gegrilltem Lammfleisch und Zwiebeln. Vor zehn Jahren sei er aus der Türkei gekommen, und seit einem Jahr österreichischer Staatsbürger. Seinem Glauben will er auch hier treu bleiben, doch "als Moslem ist es schwer, Vorbild zu sein. Überall nimmt man nur Kampf wahr." Voll Stolz führt er durch die Moschee, zeigt den Waschraum mit den drei Wasserhähnen und den mit Teppich ausgelegten Gebetsraum samt gold geprägtem Koran im Regal. Freundliche Worte findet auch Osman Gülec, Obmann des Vereins und seit 28 Jahren in Traun. Mit Rusznak gebe es keinen Streit, "er möchte uns als Österreicher helfen." Zu solchen Reden kann dieser im Wohnzimmer seiner Villa nur den Kopf schütteln: Zwar habe er "aus Zeitdruck" das letzte Freitagsgebet in der Bahnhofstraße verrichtet, doch mit der Gemeinde will er nichts mehr zu tun haben. Über die "Naivität" der Neuen kann er sich nur wundern: "Irgendwann wird der Bagger kommen und ihnen wird die Rechnung präsentiert." Bis dahin widmet sich der einstige Manager seinem vierten Opus: einem Roman über die Geschichte der Moschee. Auch seine Sprachkenntnisse will er erweitern - mit einem Türkischkurs: "Ich weiß", meint er selbstironisch, "ich bin ein Unbelehrbarer."

Unweit der Bahnhofstraße, im Pfarrhof, lässt ein "Neutraler", doch Mitbetroffener des Konflikts, die Ereignisse Revue passieren. "Ich bin sehr froh, dass diese Eskalierung zurückgenommen worden ist", zeigt sich Stadtpfarrer Franz Wild erleichtert. Das Verhalten Rusznaks sei "nicht sehr glücklich" gewesen, und überhaupt seien "die Trauner nicht fremdenfeindlicher als andere auch." Vor allem die Stilisierung des Konflikts zum Glaubenskrieg im "Report" sei ihm zuwider: "Wir sind ja nicht in Nordirland". Von den Muslimen erwarte er ein gewisses Maß an Anpassung: "Sie müssen verstehen, dass etwas als Provokation empfunden wird." Jedenfalls bemühe sich die Pfarre um Dialog, der - zugegeben - oft mühsam sei.

Ein Tag später: Der Himmel über Traun ist rosig, eine Lösung ist in Sicht. Der Bürgermeister kann seine Überraschung nur schwer verbergen: "Ein Landwirt hat über den Konflikt gelesen und angerufen. Er würde seinen Vierkanter in Linz-Ebelsberg zur Verfügung stellen..."

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