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Funke im Pulverfaß

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Es war Freitagabend 8 Uhr, eine Stunde, in der im Staate Israel die Shabbatruhe herrscht und nur die wichtigsten Arbeiten verrichtet werden, als Polizeikommandant, Shaul Rosolio, des Distrikts Jerusalem die Journalisten zu einer Pressekonferenz zusammenrief, um ihnen mitzuteilen: „Wir haben einen 28jährigen Australier Namens Michael Denis Dieter Rohan festgenommen und haben alle Gründe, anzunehmen, daß es sich um den Brandstifter der El-Aksa-Moschee handelt. Er ist Mitglied der Sekte ,Church of God' (Kirche Gottes) und seit vier Monaten im Land.“

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Es war Freitagabend 8 Uhr, eine Stunde, in der im Staate Israel die Shabbatruhe herrscht und nur die wichtigsten Arbeiten verrichtet werden, als Polizeikommandant, Shaul Rosolio, des Distrikts Jerusalem die Journalisten zu einer Pressekonferenz zusammenrief, um ihnen mitzuteilen: „Wir haben einen 28jährigen Australier Namens Michael Denis Dieter Rohan festgenommen und haben alle Gründe, anzunehmen, daß es sich um den Brandstifter der El-Aksa-Moschee handelt. Er ist Mitglied der Sekte ,Church of God' (Kirche Gottes) und seit vier Monaten im Land.“

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Man hätte glauben können, daß sich die Gemüter .mit dieser..Nachricht beruhigt hätten, denn einige Stunden vorher schien es fast so, als ob der Volkswut in Ost-Jerusalem kein Einhalt geboten wurde. Sie brach einen Tag nach dem Brand in der El-Aksa-Moschee aus, bei der der südöstliche Flügel Feuer fing, der größte Teil ihres Daches abbrannte und auch der mit Elfenbein eingelegte Altar, welcher vor zirka 800 Jahren gebaut wurde, verbrannte. Trotzdem wurde einen Tag nach der Inhaftierung des Australiers ein Proteststreik ausgerufen, um der Trauer und der Wut über diesen Brand Ausdruck zu verleihen. Alle Geschäfte in Ost-Jerusalem, in Gaza, in Raflah und anderen Städten der besetzten Gebiete Israels waren geschlossen. Die öffentlichen Dienste streikten und die meisten Einwohner schlössen sich in ihre Wohnungen ein. Einige Araber, mit denen ich sprach, waren bereit zu beschwören, daß der Brand eine israelische Provokation war, die nichts anderes bezwecken sollte, als die Araber und die Anhänger des mohammedanischen Glauibens zu demütigen. Kein Beweis über das Gegenteil war stichhaltig genug, um akzeptiert zu werden. Gerücht folgte auf Gerücht. Viele behaupteten, daß ein israelischer Helikopter die El-Aksa-Moschee mit Benzin berieselte, damit sie besser 'brenne.

Haß über TV

Die arabischen Radio- und Televi-sionsstationen kümmerten sich auch nur wenig um die Tatsache, daß es vielleicht ein fremder Brandstifter war, oder daß der Brand nur durch Zufall ausbrach. „South el Arafo“ aus Kairo sendete am Samstagmorgen: „Die El-Aksa-Moschee geht in Flammen auf — die El-Aksa-Moschee wurde zu Staub und Asche. Seit hunderten von Jahren ist keine schlimmere Nachricht an die Ohren eines . jeden Mohammedaners gedrungen. Wir stehen nun vor einem der schlimmsten Verbrechen der Zio-nisten!“ Der Radioansager von Amman sagte ungefähr zur selben Zeit: „O, ihr Brüder, oh, ihr Bürger aller arabischen Länder, höret und wisset, was schlimme Menschen euch angetan, was für eine große Sünde sie begangen haben! Es ist ein Ver-

brechen, das nicht mehr gutzumachen ist. Die Juden“; haben“ es ausgebrütet und es gibt keine Strafe, die schwer genug für sie ist. Blut wird fließen bis das ganze Böse aus dem Land ausgetilgt ist und die heiligen Stätten in Pracht neuenstehen können!“ Staatsmänner, Religionsführer und Agitatoren aus allen arabischen Ländern vereinigten sich in einen lautstarken Chor, in dem behauptet wurde, daß dies das schlimmste- Verbrechen des Staates Israel gegen die Araber sei. Man müsse das arabische Jerusalem aus den Händen der Verbrecher und der Feinde der Menschheit retten. Viele behaupteten, daß Israel die El-Aksa-Moschee verbrennen wollte, um auf dem Tempelplatz, wo diese steht, den dritten Tempel zu errichten. Die arabischen Radiostationen sendeten fast ohne Unterbrechung Koranzitate, nationale Lieder und Militärmärsche. Der „South-El-Arab“-Sender aus Kairo fügte hinzu: „Schlimmer als alles ist, wenn die arabische Nation diese Schmach hinnimmt, ohne sofort darauf auf das schärfste zu reagieren.“

Als am Tage nach dem Brand das allwöchentliche Freitagsgeibet in der El-Aksa-Moschee abgehalten wurde, bewachten israelische Militärpolizisten das Mograbi-Tor der Altstadtmauer, welches zum Tempelberg führt, um keine Nichtgläubigen hereinzulassen. Sogar Journalisten wurde der Eingang zur El-Aksa-Moschee verwehrt Die Gläubigen hörten aufpeitschende Reden der Prediger und der Scheiks, die immer wieder betonten: „Die Juden haben es getan!“ Um 12.30 Uhr war das Gebet aus. Einige tausend Jugendliche begaben sich auf die Straße, die in das mohammedanische Viertel der Altstadt führt. Erst schrien sie: „Nasser, Nasser!“ Dann hörte man Rufe: „Fatah, Fatah!“ Und zum Schluß prasselte ein Stein-regen auf die wenigen israelischen Soldaten, die am Mograbi-Tor standen. Eine Massenlhysterie bemächtigte sich aller, und erst als Ausnahmezustand verhängt wurde, kehrte die Ruhe wieder ein.

Ohne Logik

Der Brand der El-Aksa-Moschee hat wieder einmal bewiesen, daß man im

Mittleren Osten nicht nur von einer Eskalation an den Fronten, sondern auch der Gemüter sprechen muß. Jeder Unfall kann Anlaß zur Explosion geben. Ein jüdischer Autofahrer, der ein arabisches Kind überfährt, kann bei solch einer Gelegenheit schon genügen, um die Gemüter zu erhitzen. Es ist klar, daß Israel hier an keiner Provokation interessiert sein kann, denn diese führt die Lage fast bis zum Abgrund, doch es ist nicht ausschlaggebend, was Israel will. Hier geht es nicht mit Logik zu und niemand kümmert sich um wahre-Tatsachen.-Jedenfalls ha,t es sich 'erwiesen,, dalr die ' äfäbisÄien Staat' im Grunde genommen*-an keiner politischen Lösung interessiert sind, sonst hätten sie nicht sofort diesen Brand zum Anlaß genommen, um die Massen erneut gegen Israel aufzuhetzen. Der Brand der El-Aksa-Moschee kann noch weitreichende Folgen mit sich bringen, auch wenn das Feuer schon längst gelöscht und die Moschee restauriert ist, denn das Spiel mit Zündhölzern an einem Pulverfaß ist immer lebensgefährlich.

Die El-Aksa-Moschee ist das zweite oder dritte Heiligtum des mohammedanischen Glaubens. Im allgemeinen kommt erst der Heilige Felsen (Kaaba) in Mekka, darnach die Stadt Medina und an dritter Stelle die El-Aksa-Moschee. Doch viele Mohammedaner sehen diese als zweitwichtigstes Heiligtum an, denn nach der Überlieferung stieg von hier Mohammed auf seinem Pferd El Burka in den Himmel auf. In der 17. Sure (Abschnitt) des Korans wird diese Moschee erwähnt. Es heißt dort: „Ehre sei Gott, der Seinen Diener in der Nacht von der Haram-Mosehee (Mekka) zur Aksa-Moschee brachte.“ Einige Wissenschaftler behaupten, daß diese Moschee im Jahre 536 nach unserer Zeitrechnung' durch Justi-nianus zu Ehren der heiligen Maria als Basilika errichtet wurde. Nach der Eroberung durch die Mohammedaner wurde die Kirche in eine Moschee verwandelt. Andere hingegen sind der Ansicht, daß die Moschee von Kalif el Walid im Jahre 709 erbaut wurde. Als die Kreuzfahrer Jerusalem eroberten (1099), wurde die Moschee wieder in eine Kirche verwandelt und man nannte sie „Salomos Palast“. Ein Nebengebäude der Moschee diente als Wohnhaus der Angehörigen des Templerordens. Nach der Wiedereroberung Jerusalems durch Saladin des Großen im Jahre 1187 wurde die Moschee dem mohammedanischen Glauben zurückgegeben. Man nimmt an, daß ungefähr zu dieser Zeit der mit Elfenbein beschlagene Altar gebaut wurde, bei dessen Errichtung bekanntlich kein einziger Nagel verwendet wurde. Im 14. Jahrhundert erhielt die El-Aksa-Moschee ihre heutige Form.

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