6859526-1977_30_07.jpg
Digital In Arbeit

Eine Moschee im Rekordtempo

Werbung
Werbung
Werbung

„Bidschi el Jahud - die Juden kommen!” schrien die kleinen Kinder, die auf dem ölberg bei Jerusalem herumstreunten, als ein Kollege und ich uns der kleinen neuerbauten Moschee nä-% herten, die zum neuesten Zankapfel zwischen Juden und Arabern geworden ist.

Kaum hatten die Kinder auf solche Art unsere Ankunft gemeldet, rannten auch schon von allen Seiten Erwachsene herbei. „Ihr seid verdammte Polizisten”, sagte eine alte arabische Frau und machte Anstalten, mir die Augen auszukratzen. „Ja, es sind verkappte Polizisten”, schrien die anderen im Sprechchor. Ein junger Mann sagte: „Wir kennen euch Juden. Erst bemächtigt ihr euch unseres Landes und dann bringen euch keine zehn Rösser mehr hinaus.” Nach langem Palaver konnten wir die aufgebrachte Menge beruhigen und davon überzeugen, daß wir

Korrespondenten der Auslandspresse seien. Es stellte sich schließlich heraus, daß den herumstreunenden Kindern die „nationale Aufgabe” übertragen war, vor jedem Fremden zu warnen, der sich dieser kleinen, nur zwanzig Quadratmeter großen Moschee nähern sollte.

Alles hatte vor einigen Wochen seinen Anfang genommen: als der Grund, auf dem das Streitobjekt steht, von einem arabischdh, Besitzer für zwei Millionen israelischer Pfund an einen jüdischen Großgrundbesitzer verkauft worden war. Alsbald entbrannte ein Streit zwischen zwei Brüdern, denen die Liegenschaft gemeinsam gehört hatte. Der eine von ihnen behauptete, daß ein Zipfel des Grundstückes nicht mitverkauft worden sei und ihm allein gehöre. Der andere hingegen wollte alles verkauft haben. Der Bruderzwist vereitelte schließlich die ganze Transaktion.

Der Fall wurde in Jerusalem publik. Eine Gruppe arabischer Nationalisten beschloß nun, ohne Baulizenz so schnell wie nur möglich, eine Moschee, also eine „heilige Stätte”, zu errichten, damit arabische Erde nicht in die Hände von Ungläubigen falle. Hat doch schon Mohammed den Verkauf von Grund und Boden an Andersgläubige verboten.

Als Jerusalems Stadtverwaltung von dem nicht bewilligten Neubau erfahren hatte, war dieser fast schon fertiggestellt. Freiwillige Bauarbeiter arbeiteten Tag und Nacht, gossen eine Betondecke, verkleideten die Wände mit Steinfliesen, und als die Stadtverwaltung nach einem außerordentlichen Gerichtsverfahren einen Abbruchbefehl erteilte, hatten die Elektriker der Ostjerusalemer Elektrizitätswerke bereits den Anschluß an das Elektrizitätsnetz zustande gebracht. Noch in derselben Nacht wurde das. Minarett errichtet, ein Halbmond darauf befestigt, wurden außerhalb der Moschee Lautsprecher angebracht, um den Ruf des Muezzin weithin hörbar zu machen. Seither wird hier täglich gebetet.

Das alles ist nur Geplänkel an einem kleinen Abschnitt der internen Front, deren Aufgabe es ist, in Ostjerusalem Bodenverkäufe an Juden zu vereiteln. Bekanntlich haben in der Mandatszeit, aber auch schon früher, zur Zeit der Türken, die jüdischen Pioniere ihre Neuansiedlungen nur durch Ankauf arabischer Grundstücke bewerkstelligen können. Schon damals errichteten Nationalisten eine gemeinsame arabische Front gegen diese Bodentransaktionen. Einige arabische Großgrundbesitzer, die ihren Boden an Juden verkauft hatten, wurden ermordet … Aber das Geld lockte und der Bodenverkaufging weiter.

Nach dem Sechs-Tage-Krieg gab es wieder eine Anzahl jüdischer Bauunternehmer, die arabische Grundstücke kaufen wollten. Um der israelischen Okkupation keine Legimation zu geben, verhängten die jordanischen Behörden schwere Gefängnisstrafen, unter Umständen sogar die Todesstrafe, für Personen, die Grundstücke an Juden veräußert hatten. Bekanntlich sind die Einwohner von Ostjerusalem und Westjordanien immer noch jordanische Staatsbürger. Trotzdem werden auch heute Grundstücke an Juden verkauft, doch werden diese Transaktionen hinter verschlossenen Türen getätigt.

Der Bau einer Mini-Moschee sollte nun erneut ein Alarmzeichen setzen. In Ostjerusalem erhitzten sich die Gemüter und viele schworen, daß die Bulldozer der Stadtverwaltung nur über ihre Leichen die neuerrichtete heilige Stätte wieder vernichten könnten. So beschloß denn Jerusalems Bürgermeister Teddy Kollek, obwohl dies eigentlich dem Gesetz wiedersprach, die Moschee nicht anzutasten, um weiteres Unheil hintanzuhalten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung