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Riskante Bodenkäufe

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In bezug auf die besetzten Gebiete gibt es innerhalb des israelisehen Kabinetts zwei politische Strömungen. Die eine, an deren Spitze Sicherheitsminister Dayan steht, will so viel wie möglich „Tatsachen“ schaffen, die andere, an deren Spitze Finanzminister Pinchas Sapir steht, will so wenig wie möglich in die besetzten Gebiete investieren, in der Annahme, daß es sich hier ohnedies nur um ein Provisorium handelt.

Die Stadtgrenzen Jerusalems wurden nach 1967 stark ausgeweitet, um genügend Expansionsmöglichkeiten zu bieten. Fast alle brachliegenden Böden, die sich innerhalb der Stadtgrenzen befinden, wurden bereits von großen Bauflrmen aufgekauft, Böden für Privatvillen sind kaum noch erhältlich. Doch die Bodenspekulanten wußten bald Rat. Warum sollten nicht arabische Bodenbesitzer auf ihren Grundstücken Villen bauen und diese dann an Israelis verpachten? Es kam bisher noch nicht dazu, weil Israelis nur mit besonderer Bewilligung in den besetzten Gebieten wohnen dürfen. Bis heute ist es einem Israeli nicht gestattet, eine Wohnung in Ramallah oder in Nablus zu mieten. Also warten viele, bis Jerusalem so groß wird, daß es keinen anderen Ausweg gibt, als auch die umliegenden Flächen, die heute noch zu den besetzten Gebieten gehören, in die Stadt einzuverleiben.

In den letzten Tagen forderte Israels Sicherheitsminister Moshe Dayan, daß Grundstückskäufe von Israelis in den besetzten Gebieten legalisiert und erlaubt werden sollten. Bisher hatte die Militärverwaltung alle derartigen Versuche unterbunden. Bodentransaktionen dürfen laut Verordnung nur von Einwohnern der besetzten Gebiete selbst durchgeführt werden. Ein Israeli, der solche Böden kauft, kann zu fünf Jahren Kerker verurteilt und zusätzlich mit einer hohen Geldbuße belegt werden.

Seit einiger Zeit zeigt aber die Praxis, daß die Tatsachen stärker sind als jedes Dekret. Als erstes erlaubte die Regierung, allerdings nach langen Verhandlungen, den Ankauf des heute noch leerstehenden „Lido“ am Nordufer des Toten Meeres. Dieser Gebäudekomplex diente bis zum Sechstagekrieg als Kurort. Später wurde dort eine israelische Militäreinheit stationiert. Schließlich blieb der „Lido“ leerstehen, und der arabische Besitzer unternahm keinerlei Anstalten, die noch zur Mandatszeit errichtete Kuranstalt wieder zu eröffnen. Unterdessen wurde eine Anzahl von neuen Hotels am südlichen Ufer des Toten Meeres errichtet und nun wollte man eben auch das Nordufer der Touristik neu erschließen.1 Allerdings handelte es sich bei den Käufern des „Lido“ um eine nichtisraelische Investorengruppe.

Viele Gebiete Cis-Jordaniens wurden bis heute nicht genau parzelliert, so daß keine genauen Eintragungen im Grundbuch vorhanden sind. Es gibt jedoch eine ungefähre Bodenabgrenzung für das Einkassieren der Grundsteuer. Die arabischen Bodenmakler führen nun die interessierten israelischen Käufer zu den Objekten, zeigen ihnen den zum Verkauf angebotenen Boden und bringen eine Landkarte mit, die vom Verkäufer und den benachbarten Grundbesitzern unterschrieben werden muß. Der Käufer gibt dieses Dokument einem israelischen Notar in Verwahrung mit der Vollmacht, das Eigentum, sobald die Möglichkeit gegeben ist, auf den Namen des israelischen Käufers intabulieren zu lassen. Aber manchmal passiert es, daß Böden verkauft werden, die gar nicht im Besitz des Verkäufers waren. Des öfteren befindet sich der wahre Besitzer in Jordanien oder ganz woanders, und nicht einmal die Nachbarn wissen, wem der Boden nun wirklich gehört. Auf diese Weise hat schon so mancher Israeli sein Geld verloren. Er hat nicht einmal die Möglichkeit, Klage einzureichen, da dann aufkäme, daß er selbst sich strafbar gemacht hat.

Trotz des offiziellen Verbotes und des erwähnten Risikos sind die Grundstückspreise in den besetzten Gebieten sehr gestiegen. Man zahlt heute in der Gegend von Jerusalem 60.00 bis 70.000 IL für 1000 Quadratmeter, was ungefähr 10 Prozent des Bodenpreises im Zentrum Jerusalems entspricht. Viele Bauflrmen investieren Gelder in der Annahme, daß sogleich nach erfolgter regierungsmäßiger Legalisierung die Preise mindestens auf das Dreifache hinaufschnellen werden.

Die Verkäufer hingegen sind zumeist kleine Bauern, die auch mit dem jetzt bereits gebotenen Geld viel anfangen können.

Frau Golda Meir hat bis jetzt die Ansicht vertreten, daß Bodenankäufe von Israelis in den besetzten Gebieten einer Friedensregelung hinderlich sein könnten. Dessenungeachtet wird der Druck der Interessenten immer größer, da Araber wie Juden an den Transaktionen gleichermaßen interessiert sind.

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