6824022-1974_02_07.jpg
Digital In Arbeit

Hoffen auf Wundertherapien

Werbung
Werbung
Werbung

Die israelische Wirtschaft beginnt sich nur langsam vom ersten Schock des Krieges zu erholen. Durch die Ereignisse wurden insbesondere Industriezweige betroffen, deren verhältnismäßig junge Belegschaften zum größten Teil sofort bei Kriegsbeginn eingezogen wurden, so die Metallbranche, die Elektronik, die Diamantendndustrde. Durch das Ausbleiben der Touristen wurde die Hotellerie fast völlig brachgelegt. Durch die Einstellung der Bautätigkeit wurden auch jene Industrien gedrosselt, die für die Bauindustrie direkt oder indirekt arbeiten. Da man im Krieg weniger Lust hat, Neuanschaffungen zu tätigen, wurden Industrien, die Luxusartikel herstellen, ebenso wie die Möbelindustrie stark in Mitleidenschaft gezogen und oft gezwungen, ihre Betriebe zu schließen. Auch viele Werkstätten und Garagen sind verwaist, weil die Besitzer zum Militär eingezogen wurden und die wenigen nicht mobilisierten Arbeiter daher einfach entlassen werden mußten. Trotzdem kennt Israel noch keine Kriegswirtschaft. Noch sind keine Frauen an Stelle der mobilisierten Männer zur Arbeit herangezogen worden, noch gibt es nur im kleinen Ausmaß Um-schulungskurse für Arbeiter, die gezwungen sind, ihre Arbeitsplätze zu tauschen.

Auch in der Wirtschaft war man nur auf einen sehr kurzen Krieg von höchstens einer Woche vorbereitet. Dies läßt sich am Transportwesen veranschaulichen. Bei Beginn des Krieges wurden etwa zwei Drittel der 3000 Lastwagen Israels von der Armee requiriert. Wegen des Mangels an Transportgelegenheiten kam es alsbald zu Stockungen in der Industrie. Die Planer glaubten eben, daß für einige wenige Kriegstage auch der Transport ohne Schwierigkeiten stillgelegt werden könne. Auch heute steht immer noch die Hälfte aller Lkw „unter den Waffen“.

Die Regierung hat zwar 2500 neue Lkw im Ausland gekauft, einige Hundert davon sind bereits eingetroffen, doch nicht alle eignen sich für die hiesigen Bedingungen, so daß viele Transportunternehmen sich geweigert haben, sie abzunehmen.

Eine Reihe von Artikeln, die in der ägyptischen, syrischen und libanesischen Presse erschienen, hoben hervor, daß die Zeit zugunsten der Araber arbeite. Je länger Israel gezwungen ist, seine Männer unter den Waffen zu halten, desto leichter werde es sein, den Judenstaat auf die Knie zu zwingen. Nun hat es sich allerdings gezeigt, daß das wirtschaftliche Potential Israels größer ist, als man angenommen hatte. Natürlich kostet ein langfristiger Krieg viel, und Israel wird noch auf Jahre hinaus verschuldet sein. Aber die wirtschaftliche Bürde des Krieges und die umfangreiche Mobilisierung seiner Streitkräfte vermag Israel noch lange auf sich zu nehmen.

Vor dem Krieg kamen 80 Prozent des israelischen Bruttoeinkommens aus dem Nationalprodukt, der Rest war importiertes Kapital. In den letzten Jahren stieg das Nationalprodukt jährlich um 8 bis 10 Prozent, der Lebensstandard desgleichen.

Während der Kampfhandlungen fehlte ungefähr ein Drittel der israelischen Arbeitskräfte in den Ämtern und in der Industrie, heute sind es immer noch 12 bis 15 Prozent. Viele der Mobilisierten sind Facharbeiter oder sie kommen aus Schlüsselpositionen in den verschiedenen Betrieben.

Die Industrie arbeitet heute nur mit 60 Prozent ihres Potentials, die Landwirtschaft hingegen hat nur wenig eingebüßt. Hier konnten freiwillige, zumeist ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt werden. In Mitleidenschaft wurden allerdings die Kleinbauern gezogen, insbesondere junge Famüien, bei denen der Mann noch allein auf dem Felde arbeitet und nicht ersetzt werden kann, wenn er einrücken muß.

Der Import, Kriegsmaterial ausgenommen, wurde während des Krieges stark zurückgeschraubt. Schiffe, die nicht unter israelischer Flagge fahren, liefen während dieser Zeit keine israelischen Häfen an, auch fehlten die Lkw, um die Waren wei-terzubefördern, so daß die Importwaren zum größten Teil in den Lagerhäusern des Hafens liegenblieben.

Aber auch der Export ist stark gedrosselt. Die großen Aufträge des Kriegsministeriums genießen Priorität. Vor dem Krieg erhielt die Industrie solche Aufträge in der Höhe von 2,15 Milliarden israelischer Pfunden pro Jahr, nach den Kampfhandlungen wurde die Summe auf 4,5 Milliarden erhöht. Es handelt sich dabei nicht nur um Kriegsmaterial, sondern auch um Textilien und Lebensmittel.

Jeder Tag des Beredtschaftszustan-des der israelischen Armee kostet die Steuerzahler ungefähr 45 Millionen israelische Pfund. Erhöhte Steuern, Einführung der neuen Kaufsteuer und der Mehrwertsteuer, erhöhte Zölle, Aufhebung der Subsidien für Lebensmittel, all das soll die Einnahmen des Fiskus vergrößern. Eine Zwangsanleihe und eine freiwillige Anleihe sollen weiteres Geld hereinbringen. So hofft man wenigstens einen Teil der Kriegsausgaben zu decken. Mit einer weiteren Teuerung ist wegen der erhöhten Steuern zu rechnen und die Hunderttausende, die mobilisiert sind, bekommen während dieser Zeit für sich und ihre Famüien nur minimale Entschädigungen.

Zwecks Planung wurden Kommissionen zusammengetrommelt. Vielleicht bringen sie den geplagten Israelis eine Wundertherapie. Die Israelis wollen Frieden und sind hiefür auch zu den größten wirtschaftlichen Opfern bereit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung