Osama - © Foto: Getty Images / Anadolu Agency / Askin Kiyagan

Osama el Hosna: Der geblieben ist statt wegzulaufen

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Osama el Hosna ist vor sieben Jahren aus Gaza nach Österreich gekommen. In der Terrornacht von Wien wurde er zum Lebensretter. Dabei sind seine Erfahrungen mit Österreich zwiespältig. Über einen, der nicht aufgibt, mit Sanftmut gegen religiöse Vorurteile zu kämpfen.

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Osama el Hosna ist vor sieben Jahren aus Gaza nach Österreich gekommen. In der Terrornacht von Wien wurde er zum Lebensretter. Dabei sind seine Erfahrungen mit Österreich zwiespältig. Über einen, der nicht aufgibt, mit Sanftmut gegen religiöse Vorurteile zu kämpfen.

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Osama Abu el Hosna ist keiner von denen, die viel Wind um sich machen. Leise spricht er. Fast schüchtern. Er steht auf dem Schwedenplatz, zeigt hierhin, dorthin, erzählt: Hier der Aufgang von der Tiefgarage, wo er gerade herauskam, als die ersten Schüsse fielen; dort die Ecke der Seitenstettengasse die vorbei an der Synagoge hinauf in die Stadt führt. Dort stand er, der Schütze mit der Kalaschnikow. Keine 15 Meter vor ihm. Und weit und breit noch keine Polizei. Osama Abu el Hosna ist einer der Helden jener Nacht, in der die bisher von Terror weitestgehend verschonte Stadt aus allen Wolken fiel. Und wenn er sagt, er habe ja nichts besonderes getan, so sieht man ihm an: Er meint das auch.

Gelernter Elektrotechniker, arbeitet er heute in einem Fast-Food-Restaurant auf dem Schwedenplatz, und an besagtem Abend hat er einem Polizisten unter großem Risiko das Leben gerettet. Osama Abu el Hosna hätte weglaufen können, aber er ist geblieben. Der Beamte war angeschossen worden, als ein erster Trupp von Beamten sich dem Schützen an der Ecke nähern wollte. Osama Abu el Hosna hat ihn im Kugelhagel hinter eine niedrige Betonbegrenzung gezerrt, versucht, die Blutung zu stillen, versucht, ihn irgendwie wach zu halten, ihn dann zu den Krankenwägen geschleppt, die nicht näher an die Schießerei herankamen. Dass der Polizist heute noch lebt, das ist sein Werk. „Diese Beamten haben sich wegen mir in große Gefahr gebracht, weil sie mich aus der Gefahrenzone bringen wollten“, sagt er. Und dann: „Was hätte ich denn sonst tun sollen? Er wäre sonst gestorben.“

Helden auf Instagram

Zwei türkeistämmige Burschen, die ihm die letzten Meter tragen halfen, verschwanden gleich danach und sind heute Instagram-Stars. Osama Abu el Hosna verbrachte die Nacht bei der Polizei. Er sagt: „Erst haben sie viel gefragt – dann haben wir zusammen gefeiert.“ Seit 2013 lebt der junge Mann (23) aus Gaza in Österreich. Gekommen ist er mit seiner Familie, seinen Eltern, seinen Brüdern und seiner Schwester. An diesem nebeligen Tag lächelt Osama Abu el Hosna, wenn er von dieser Zeit erzählt. Die Ankunft in Österreich aber, die ist bis zum heutigen Tag ein Weg voller Steine. Es war im Juni 2019, als bekannt wurde, dass die Familie Hosna in Weikendorf nahe der slowakischen Grenze ein Haus gekauft hatte. Und es war im Juni 2019, als der Bürgermeister der Gemeinde, der ÖVP-Politiker Johann Zimmermann, diesen Kauf beeinspruchte.

Das darf er bis zu einem gewissen Grad. Demnach gilt, dass die Grundverkehrsbehörde zustimmen muss, wenn nicht österreichische Staatsbürger und besonders Personen, die weniger als 10 Jahre einen dauerhaften Wohnsitz hier haben, Grund und Boden erwerben wollen. Und die Gemeinde, die hat in einem solchen Genehmigungsverfahren ein Mitspracherecht. Es war die Begründung für die Beeinspruchung Zimmermanns, die es aber in sich hatte. Da schrieb der Bürgermeister der Marktgemeinde: „Die unterschiedlichen Kulturkreise der islamischen sowie der westlichen Welt liegen in ihren Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuchen weit auseinander.“ Und weiter schreibt er, dass sich dieser von ihm identifizierte Umstand bis ins gesellschaftspolitische Leben ziehe.

Ein weiteres überliefertes Zitat des Bürgermeisters ist: Die Gemeinde habe „kein Interesse“ an einer Ansiedelung, und zwar wegen der Religion. Die Folge war nicht nur ein Rechtsstreit, in dem Urteile und Beeinspruchungen einander im Stakkato folgten. Was folgte, war vor allem eine politische Schlammschlacht sondergleichen – und die stellte, was Unter- und Angriffe angeht, sogar in den Schatten, dass Osama Abu el Hosnas erster Arbeitgeber in Österreich dem jungen Mann unwissentlich seine eigene einvernehmliche Kündigung unterjubelte und unterschreiben ließ. Wegen seines Vornamens.

Unterschriften gegen Muslime

Eine Unterschriftenaktion gab es in Weikendorf – gegen den Zuzug einer muslimischen Familie. Und viele unterschrieben. Schließlich schaltete sich sogar die niederösterreichische Landeshauptfrau ein: „Dieser Fall ist unglücklich gelaufen“, sagte Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die Religionszugehörigkeit dürfe aber kein Grund für eine Ablehnung sein. Es folgten Dialogversammlungen in der Gemeinde. Ohne Erfolg. Auf die Landeschefin folgten schließlich namhafte Autoren, darunter Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Zimmermann zu „angemessenem Handeln“ aufrief und der Familie Hosna ihre Unterstützung aussprachen. Aus der Geschichte wurde eine Causa: Die Causa Weikendorf, die sich bis auf Bundesebene zog. Die FPÖ monierte einen zu weichen Kurs der ÖVP und beklagte, dass die Gerichte gegen den Willen des Volkes agierten.

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