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Bedeutung der Gebrauchsgraphik
Gebrauchsgraphik im modernen Sinne gibt es in Oesterreich seit über einem halben Jahrhundert. Man versteht darunter, zum Unterschied von der freien Graphik, alle Arten der angewandten Graphik, wie Plakat- und sonstige Werbegraphik, Illustrationen, Exlibris, Buchschmuck, Gelegenheits- und Familiengraphik, Diplome, Firmen- und Warenzeichen, Briefmarken, Banknoten, Modegraphik, Packungen, Karikaturen usw.
Schon in der dem ersten Weltkrieg folgenden Epoche erfuhr die österreichische Gebrauchsgraphik durch staatliche Stellen, Industrie und Handel vielseitige Förderung. Man erkannte, daß
Aus dem „Figaro“, Paris 1910
allein der Fachkünstler, also der Gebrauchsgraphiker, berufen ist, den Werbemitteln ihre Gestaltung zu geben. Der Zusammenschluß aller daran interessierten Künstler führte in dieser Zeit zur Gründung des Bundes Oesterreichischer Gebrauchsgraphiker. Verschiedene Ausstellungen in der ganzen Welt — bis ins ferne Japan — sowie die ins Ausland gehenden künstlerisch gestalteten Drucksachen (Messe- und Fremdenver-
kehrswerbung, Briefmarken, Banknoten usw.) haben die österreichische angewandte Graphik tatsächlich zu einem Begriff gemacht. Es ist daher kein Wunder, wenn ständig österreichische Gebrauchsgraphiker ins Ausland berufen werden und dort zum Teil schon seit vielen Jahren als hervorragende Fachleute anerkannt sind.
In der heutigen Zeit kommt natürlich der künstlerischen Gestaltung der Werbemittel — von der Zeitungsanzeige bis zur Großflächenwerbung — wachsende Bedeutung zu. Der Künstler kennt, zum Unterschied vom Handwerker, kein Schema und wird für jede gestellte Aufgabe die individuelle Lösung zu finden suchen. Dies setzt nicht nur Erfahrung und Beherrschung der technischen Bedingungen voraus, sondern verlangt Einfall, künstlerische Intuition, Gefühl und Verständnis für die Wirkung von Farbe, Kontrast und Form. Dazu kommt die vollständige Beherrschung von Schrift und Typographie und ein feines psychologisches Verständnis für die Wirkung auf den anzusprechenden Personenkreis.
Sowohl Künstler als auch Auftraggeber tragen eine hohe Verantwortung, wenn man bedenkt, daß die Werbemittel von zahllosen Augen gesehen werden, oft in Millionen Hände kommen und somit die Visitenkarte eines Unternehmens darstellen. Leider sind manche Auftraggeber — sehr zu ihrem Schaden — noch nicht von der Erkenntnis durchdrungen, daß der Gebrauchsgraphiker, ähnlich wie der Anwalt oder Arzt, auf seinem Gebiet Fachmann ist und daher keine befriedigende Leistung liefern kann, wenn ihm — zum Teil von Laien — -weitgehende Vorschriften gemacht bzw. seine sachlichen Argumente nicht beachtet werden.
Es sei nur am Rande vermerkt, daß die österreichische Gebrauchsgraphik an sich infolge ihres künstlerischen Rufes ein im Ausland gesuchtes Exportgut war und zum Teil auch wieder ist. Es wird auch in Zukunft ihre Aufgabe sein, ihre Eigenart und ihren besonderen künstlerischen Reiz zu wahren, eine Aufgabe, die vor allem der jüngeren Generation zufällt, deren künstlerische Begabungen sich erst unter verständnisvoller Förderung voll entfalten werden.
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