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Liturgische Dichtung

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DIE HYMNEN DER OSTKIRCHE. Von Egon Wellen. In „Baiiiienses de Mutica Orationet“, herausgegeben von Leo Sehnde, Heft 1, im Bärenreiter-Verlag zu Basel, 1962. 27 Seiten. Zwei Notenbeispiele, eine Bildbeilage.

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DIE HYMNEN DER OSTKIRCHE. Von Egon Wellen. In „Baiiiienses de Mutica Orationet“, herausgegeben von Leo Sehnde, Heft 1, im Bärenreiter-Verlag zu Basel, 1962. 27 Seiten. Zwei Notenbeispiele, eine Bildbeilage.

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Wie der Herausgeber Leo Schrade in einem Vorwort mitteilt, wird mit dieser Veröffentlichung eine Reihe musikwissenschaftlicher Vorträge begonnen, die im Rahmen der Universität in Basel an dem Musikwissenschaftlichen Institut gehalten wurden. Die Themen sollen so etwas wie die universitas literarum widerspiegeln, wo die Musik mit den verschiedenen Literaturen und literarischen Gattungen, mit der Theologie und Philosophie und mit den bildenden Künsten in harmonischer Einheit zusammenklingt.

Egon Wellesz, einer der besten Kenner byzantinischer kirchlicher Dichtung und Musik, weist zunächst darauf hin, daß man im 19. Jahrhundert die abendländische Geschichte, Kultur und Kunst möglichst weit zurückverfolgte, um den Ursprung aller kultureller und künstlerischer Schöpfungen kennenzulernen. Die Untersuchungen der Anfänge des westlichen liturgischen Gesanges ließ uns anfänglich vermuten, daß die einfachsten Formen auch die ältesten und ursprünglichen waren. Heute jedoch wissen wir, daß östlicher Gesang aus Palästina, Syrien, Alexandrien und Byzanz eingeströmt ist und somit der gregorianische Gesang anfangs' nicht „einfach“ war und daß „reichere“ Formen nicht einer späteren Zeit angehören.

Dieser einströmende Gesang war der einer Hochkultur, mit Konstantinopel als Mittelpunkt. In der Liturgie von Byzanz finden wir ein Anwachsen der Aufnahme kirchlicher Dichtung, das bis ins 11. Jahrhundert anhält. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts an werden die Melodien immer mehr rein äußerlich verziert und die Worte zerdehnt. Der älteste Bestand an liturgischer Dichtung waren die Stichoi, kurze Einlagen zwischen den einzelnen Psalmversen. Als nächste Phase der byzantinischen Poesie entstanden die Troparien, die monostrophisch gebaut sind. Aus manchen Quellen ist uns bekannt, daß es in Palästina und Syrien schon in den ersten Jahrhunderten eine strophische Dichtung gab. Das einzige bis jetzt bekannte älteste Dokument eines erhaltenen Musikstückes mit griechischem Notenzeichen ist das Papyrusfragment einer Hymne auf die Trinität, das aus dem Ende des 3. Jahrhunderts stammt. Vom 4. bis zum 9. Jahrhundert sind keine Niederschriften byzantinischer Musik erhalten. Da jedoch die Formeln der byzantinischen Melodien im 13. Jahrhundert die gleichen sind wie die der Hymne aus Oxyrhynchos, kann man — so schließt Wellesz mit Recht — annehmen, daß eine ununterbrochene musikalische Tradition von den Anfängen des frühen Christentums bis zur Blütezeit der byzantinischen Musik besteht. In den Klöstern Palästinas und Syriens entwickelten sich zuerst die größeren Formen liturgischer Dichtung. Die Mönche waren Textdichter und Komponisten in einer Person. Der heilige Ephrem (4. Jahrhundert) war der bedeutendste der syrischen Dichter, und der aus Berytos stammende Romanos (6. Jahrhundert) der Meister, der die Großform byzantinischer Musik, das Kontakion, geschaffen hat. Wellesz stellt sich nun die Frage, wo der Schlüssel zur dichterischen Schau des Romanos zu finden sei und weist in diesem Zusammenhang auf „zwei andere Dichter höchster Artung“ hin, John Milton und Paul Claudel, „die uns helfen, das Geheimnis der Art des Romanos zu erfassen“. Es folgt dann die Besprechung - eines Weihnachtskontakions (Übertragung nach dem Codex Ashburn-ham 64 der Laurenziana in Florenz) und des Auferstehungskanons des Akathist06-Hymnos von Romanos (Übertragung in zwei Versionen nach dem Codex 1165 von Trinity College in Cambridge und dem Codex E 811. von Grottaferrata). Zum Schluß findet die Frage, ob die byzantinische Dichtung auf die Ostkirche beschränkt geblieben ist, . oder ob sie auch auf die westliche religiöse Dichtung einen Einfluß ausgeübt hat, ihre Beantwortung darin, daß Wellesz auf die Zusammenhänge der Sequenz Notkers von St. Gallen und der Sängerschule Sankt Gallens mit Byzanz hinweist.

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