Objekte der Anbetung

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"Klimt und die Frauen": Ikonen des Weiblichen in der Österreichischen Galerie Belvedere.

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"Klimt und die Frauen": Ikonen des Weiblichen in der Österreichischen Galerie Belvedere.

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Ein schlankes, schmiegsam-biegsames Weib mit einem schwülen Feuer in den dunklen Blicken, mit einem grausamen Mund und mit Nasenflügeln, die vor Leidenschaft beben." So wirkte Gustav Klimts Gemälde "Judith I" aus dem Jahre 1901 auf einen Zeitgenossen, nämlich den Schriftsteller Felix Salten. Sogar in der von Prüderie durchtränkten Atmosphäre der ausgehenden Donaumonarchie war die enorme sinnliche Ausstrahlung der Klimtschen Frauenbildnisse erkennbar, zumal für Salten, der nicht nur als Schöpfer des lieben Rehleins Bambi, sondern auch als mutmaßlicher Verfasser des - anonym erschienenen - Klassikers der erotischen Literatur "Josefine Mutzenbacher" in die Geschichte eingegangen ist.

Bei der Ausstellung "Klimt und die Frauen" in der Österreichischen Galerie Belvedere kann anhand von Porträts, Allegorien und Darstellungen mythologischer Gestalten wie der Judith der spezielle Blick nachvollzogen werden, den Gustav Klimt auf die Damenwelt warf. Wie Königinnen bildet Klimt Frauen ab, unbeweglich, distanziert und hoheitsvoll, zugleich sinnlich und verführerisch; als Objekte der Anbetung, als Ikonen. Das ornamentale Geflecht oder der Glanz des Goldes um sie herum stilisiert die Frau zum Kunstwerk und entzieht sie dem Betrachter als Mensch. "Man kannte den Ausdruck ,Vamp' noch nicht. Aber Klimt schuf den Typus einer Greta Garbo, einer Marlene Dietrich, lange, ehe er Wirklichkeit wurde", meinte rückblickend Berta Zuckerkandl, die Salondame der Wiener Jahrhundertwende schlechthin.

Gustav Klimt übte eine ungeheure erotische Anziehungskraft auf Frauen aus. Einem "lustigen Faun nicht unähnlich", beschrieb ihn Arthur Schnitzler, Friederike Beer-Monti, die sich von Klimt porträtieren ließ - das Bild ist in der Ausstellung zu sehen - liefen noch Jahrzehnte später kalte Schauder über den Rücken: Er sei außerordentlich "animalisch" gewesen, ein spezifischer Geruch sei von ihm ausgegangen; man hätte sich als Frau vor ihm fürchten können, erinnerte sie sich. Für die Reputation von Damen der Gesellschaft war es nicht zuträglich, sich von Klimt porträtieren zu lassen. Der Maler, der zahlreiche uneheliche Kinder hinterließ, war berüchtigt für seine zahlreichen Affären. "Er nimmt, wo er findet", vertraute Alma Schindler ihrem Tagebuch an - diesen Backfisch freilich konnte er nicht an Land ziehen, die spätere Gattin von Gustav Mahler und Franz Werfel wurde von ihrer Familie mit Argusaugen bewacht.

Nicht zuletzt wegen Viten wie dieser gilt das Bild der Frau heutzutage zuallererst als das Bild des Mannes von der Frau. Harsche Kritik am bösen männlichen Blick eines der zu Lebzeiten teuersten Maler Europas findet sich sogar im Ausstellungskatalog: "Klimt war sowohl als Mann wie auch als Künstler von Frauen abhängig. Er benützte sie im Leben und missbrauchte sie im Werk, indem er ihre reale Vielfalt hinter einer uniformen Kunstfassade verschwinden ließ", schreibt dort Lisa Fischer, die Klimt vorwirft, den Charakter der konkreten Frauen in einer Scheinwelt verdecken und in seinen zahlreichen Zeichnungen auf die Sexualität zu reduzieren.

"Nichts spricht aus Klimts Werk von einer Verachtung der Frauen, es bleibt bei einer immerwährenden Huldigung an die Frau." Regine Schmidt, Kuratorin der Ausstellung im Belvedere, kann sich diesen Anschuldigungen nicht anschließen und gerät ins Schwärmen: "Seine Frauen, Damen, Mädchen sind nur Ausformungen der Natur selbst, Blumen sozusagen, die er im Werden, in voller Blüte und im Vergehen zeichnete. Sein Zugang zu den Frauen war elementar, er ist der Zeus, der sich Danae nähert." Siehe Klimts "Danae" von 1907/08 ...

Nicht nur der Schatten des Feminismus, sondern auch jener der Vergangenheit trübt die sehenswerte Ausstellung: Auf zwei der gezeigten Werke - die Porträts "Adele Bloch- Bauer" I und II - sowie drei weitere Bilder erheben die Erben der Porträtierten Anspruch. Die 1925 verstorbene Adele Bloch-Bauer, der übrigens ein Verhältnis mit Gustav Klimt nachgesagt wird - das Bildnis "Judith I" soll ihre Züge tragen -, hatte ihren Mann Ferdinand in ihrem Testament darum gebeten, die Bilder der österreichischen Staatsgalerie zu vermachen. Ferdinand Bloch-Bauer jedoch musste 1938 vor den Nationalsozialisten aus Österreich fliehen, sein Eigentum - und damit die Bilder - wurde konfisziert. Als er 1945 im Schweizer Exil starb, konnte er der Bitte seiner Frau nicht mehr nachkommen.

Bis 7. Jänner 2001

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