Paul Klee - Arbeit am Mythos

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Die bildende Kunst hat in Auseinandersetzung mit Tradiertem stets kraftvolle Impulse für innovatorische Entwicklungen erfahren. Daß jeder Rückbezug auch den Prozeß der Ablösung einschließt, hat kaum ein Künstler so klar formuliert wie Paul Klee nach seinem sechsmonatigen Aufenthalt in Italien 1901/1902: "Fast unerträglich ist der Gedanke, in einer epigonischen Zeit leben zu müssen. In Italien war ich fast wehrlos diesem Gedanken ergeben. Jetzt versuche ich in praxi von allem abzusehen und als Selbstlehrling bescheiden aufzubauen ..." (1920) War er selbstbewußt und mit ein wenig Ironie auf Goethes Spuren nach Rom gelangt, so begann nach seiner Rückkehr die lebenslange Auseinandersetzung mit der eigenen Künstlerpersönlichkeit und ihrer Beziehung zu überkommenen Wertordnungen.

Klees provozierende Affinität zu älteren Mythen, die sein gesamtes Îuvre durchzieht, fand bisher wenig Beachtung. Erstmals ist nun im Haus der Kunst in München eine umfassende Ausstellung diesem Aspekt gewidmet. Unter dem Titel "Paul Klee - In der Maske des Mythos" werden von zirka 300 Werken, die Namen von Göttern, Helden und anderen Wesen aufweisen, 135 Arbeiten gezeigt. Die amerikanische Klee-Forscherin Pamela Kort nimmt in ihren Studien Bezug auf Klees akribisch geführte, mehrfach bearbeitete Tagebücher (1898-1921), auf seine autobiographischen Texte (1918-1920) und sein Werkverzeichnis (1911-1940).

Klee geht es nicht um die vordergründige Wiederbelebung mythologischer Stoffe; seine "Arbeit am Mythos ist eine Methode" (P. Kort), aus einer rebellierenden Gegenposition heraus eine Erneuerung einer für ihn autonomen, künstlerischen Welt zu finden. Klee schöpft in diesem steten Ringen aus einem reichen Fundus. Mit hoher Sprachsensibilität ausgestattet, fähig, altgriechische und lateinische Texte im Original zu lesen, verfügt er bereits vor dem künstlerischen Durchbruch 1920 über ein profundes philosophisches und literarisches Wissen. Die nachweisliche Lektüre antiker Mythenkritik (Aristophanes) mag ihn auf der Suche nach einem persönlichen Mythos bestärkt haben.

In Antwort auf Goethes "Prometheus" findet Klee sein alter ego, das am Götterhimmel rüttelt, über die Kraft eines Schöpfers und über jene des Feuers verfügt. Im Dualismus von Gut und Böse, Urweiblich und Urmännlich sieht Klee eine "komplementäre Einheit", durch die allein Neues entstehen könne.

Die Ausstellung folgt dem Werk chronologisch und läßt somit deutlich den Entwicklungsbogen erkennen. Der Künstler als "Komiker" (1903-05), der sich in den graphischen Blättern hinter der Maske seiner Kunst verbirgt, mit dieser immer enger verbunden ist, mit ihr identisch wird und schließlich in "Versunkenheit" (1919) sich hinter den geschlossenen Lidern verinnerlicht. Der Künstler hat sich selbst gefunden; er beendet seine Selbstdarstellungen. Aber er ist weiterhin präsent, verbirgt sich als Signum in den Zügen der "Barbaren-Venus", schlüpft in Dämonen, Sphinx und Eros, ist Selbst im "Blick des Dämons" (1917). Klee bevorzugt vorwiegend weibliche Wesen, jene der Fruchtbarkeit, der Unterwelt, aber auch Wind-, Feuer- und Erdgeister. Bewußt vom Schönheitsideal entthront, werden Aphrodite und Fortuna zu launigen Karikaturen.

Seit seiner Emigration 1933 in die Schweiz intensiviert Klee die Arbeit am Mythos. Das Witzig-Karikaturhafte tritt zurück, geheimnisvoll schemenhafte Gestalten treten auf, nun auch aus der nordischen Mythologie. Erdhexen und Dryaden, Götzen und Feuer-Geister bestimmen farbintensiv und großflächig das Bild. Rot- und Ockertöne, Blau, Violett und Schwarz herrschen vor. Die im nachhinein hinzugefügten Titel sind Deutung und Geheimnis zugleich. Der Künstler als Prometheus ringt mit dem "Feuer". In "Mephisto als Pallas" (1939) beschwört Klee nochmals jenen schöpferischen "Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Am Ende steht, einem Ur-Bild gleich, der bedrohlich wirkende "Charon" (1940).

Die Staatsgemäldesammlung zeigt ihren 19 Werke umfassenden Klee-Bestand. Eine kleine Werkschau zu "Der Vollmond" (1919) setzt sich mit Klees Rezeption der Romantik auseinander.

In einer aufwendigen Inszenierung zeigt das Haus der Kunst gleichzeitig "Odysseus - Mythos und Erinnerung", im Mittelpunkt die Rekonstruktion der Skulpturen aus der Meereshöhle von Sperlonga und jene des Nymphäums von Baiae. Auf Vasen, Wandbildern, Mosaiken und in plastischen Bildwerken erzählt eine reiche Bilderwelt von den Abenteuern des "Listenreichen". Zu den eindrucksvollsten Werken gehören der Kopf des Odysseus von Sperlonga und jener der trauernden Penelope aus Kopenhagen.

Paul Klee. In der Maske des Mythos. Bis 9. Jänner 2000, Haus der Kunst, München, Prinzregentenstr. 1, täglich 10 bis 22 Uhr. Tel. 0049-89-21127123. 19. Februar bis 21. Mai 2000, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam.

Der Vollmond. Neun nächtliche Landschaften von Paul Klee. Bis 9. Jänner 2000, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie moderner Kunst, München, Prinzregentenstr. 1, täglich außer Montag 10 bis 17 Uhr, Freitag bis 20 Uhr. Tel. 0049-89-21127137.

Odysseus,. Mythos und Erinnerung. Bis 9. Jänner 2000, Haus der Kunst, München.

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