6586888-1951_52_13.jpg
Digital In Arbeit

VON NEUEN BÜCHERN

Werbung
Werbung
Werbung

Wieder einmal 60II von. Georges Bernanos die Rede 6ein. Eine Reihe deutscher Neuerscheinungen von und über diesen bedeutenden Dichter de6 katholischen Frankreich, der jene mit Leon Bloy und Charles Peguy mächtig begonnene Gei6tesrevolte des „Renouveau Catholique“ vorwärtstrug in unsere Tage, ist Anlaß genug, erneut ein Wort für die Einbürgerung seiner Werke auch in Österreich zu sprechen.

Da i6t vor allem Georges Bernanos' letztes großes Wenk zu nennen, das in der deutschen Übersetzung unter dem Titel „Die begnadete Angst* (Hegner-Bücherei im Summa-Verlag, Ölten, 219 Seiten) erschienen ist Habent sota fata ldbelli... Wirklich: dieses

Buch hat eine Geschichte. Sie begann, als P. Bruckberger, den aus seinem brasilianischen Exil nach Frankreich heimgekehrten Dichter der „Sonne Satans“ und des „Tagebuchs eines Landpfarrers“ auf Gertrud von Le Forts Novelle „Die Letzte am Schafott“ aufmerksam machte. Dieser Stoff müsse doch ein packendes Drehbuch für einen Film ergeben! Und Bernanos nahm an. Scheinbar unerklärlicherweise, da er sein ganzes Leben nie für den Film gearbeitet hatte und außerdem in den letzten Jahren nur als Pamphletist und Zeitkritiker emsig tätig war. Heute wissen wir, warum. Aus einem Filrntreatment wurde ein, literarisches Testament. In der Nachdichtung der Geschichte der Blanche de la Force, die nach einem Leben unter dem Schatten der Angst mutig ihren zum Tode verurteilten Mitschwestern auf das Schafott folgt, teilte Bernanos die düsteren Nebel, die auch sein Leben und Schaffen stets umlagert hatten. Knappe Sätze, manchmal nur ein paar Wortfetzen, gedacht als Regieanweisung — schnell, schnell... Geheimnisvolle Ahnung: an dem Tag, an dem die letzte Seite der „Dialogues des Carmelites“ — so der französische Originaltitel — abgeschlossen war, warf ein tückisches Leiden den Dichter auf das Krankenbett, von dem er sich nicht mehr erheben sollte. — Ein Buch über die Angst, geschrieben von einem Menschen, der 6ich bereitmachte, diese zu überwinden, und veröffentlicht in einer Welt, die unter denselben Schatten wie Blanche de la Force lebt. Ein Buch, das nur in unserer Zeit geschrieben werden und das — sei es auch als Nachdichtung — nur einen Verfasser haben konnte: eben Georges Bernanos.

Diese, unsere Zeit! Georges Bernanos hatte 6ich mit ihr unter dem Einsatz seiner ganzen Person auseinandergesetzt — in unmißverständlichen Worten. Seit jenem Tag auf der Insel Mallorca, als er die Schüsse der falangi-stischen Exekutionspelotons hörte und den brennenden Leichenhaufen vor der Mauer eines Dorffriedhofes sah. Damals reifte der Gedanke zu der zündenden Streitschrift „Die großen Friedhöfe unter dem Mond“, die der eigentlichej Beginn der zeitkritischen Arbeiten des Dichters war. Wenige von diesen sind jedoch dem deutschsprechenden Leser bekannt. Da 6ie 6ich hauptsächlich an die Adresse von Bernanos' Landsleuten richteten und unter dem Eindruck des zweiten Weltkrieges geschrieben wurden, hat man ihre Übertragung vernachlässigt. Zu Unrecht. Das zeigt deutlich die deutsche Ausgabe des im brasilianischen Exil entstandenen Tagebuchs „Les Enfants Humilies“ unter dem Namen „Das Haue der Lebenden und der Toten“ (Verlag L. Schwann, Düsseldorf. 243 Seiten). Wohl gilt die Aufmerksamkeit des einsamen Mannes am Rande des Urwalds seiner in den Krieg eingetretenen Heimat, Bernanos' Polemik trifft mit voller Wucht die „großen Bürger“ Frankreichs und sein treues Gedenken gilt seinen Kameraden von 1914 bis 1918, aber — und dieses Aber entscheidet — darüber hinaus finden 6ich Worte, Sätze, Absätze, die an dem jederzeit zu friedlichem Schlummer bereiten Gewissen der Christen rütteln. 1951 genau so wie 1940.

Wer über die Werke hinaus zur Persönlichkeit dieses Didiers, der in seiner ebenso leidenschaftlichen wie eigenwilligen Art vieles aussprach, was für den Ruf der Stunde aufgeschlossene Katholiken in unserer Zeit denken, vordringen will, der werfe einen Blick in Bernanos' Briefschatulle. Albert Beguin, der literarische Nachlaßverwalter, leiht den Schlüssel, ein Schweizer Verlag öffnet das Schloß, veröffentlicht einen Sammelband Bernanos - Briefe: „Das sanfte Erbarmen“ (Johannes-Verlag, Einsiedeln). Hier liegen die ersten verstörten Zeilen des bei einer Prüfung durchgefallenen Gymnasiasten, die vielen Zeugnisse ruheloser Wanderjahre und eines unibarmherzigen Existenzkampfes, koßtbare Dokumente scharfer geistiger Auseinandersetzungen wie jener mit dem brasilianischen Dichter Amoroso Lima über die Aufgaben und Gefahren der Katholischen Aktion. Ein

Band, der jedem Bernanos-Kenner Freude macht

Wer dagegen mit dem Namen Bernanos noch keine bestimmten Vorstellungen verbindet, der wähle einen anderen Weg zu einer Begegnung mit der Person des großen Katholiken und Franzosen: die Lektüre von Oswald von Nostitz' ausgezeichneter Studie „Georg Bernanos. Leben und Werk“ (Pilger-Verlag,. Speyer. 80 Seiten). Zahlreiche Zitate aus vielen Werken des Dichters, ein Curriculum vitae und eine einwandfreie Bibliographie ergänzen diesen Band, der un6 als die beste und umfassendste Deutung erscheint, die bisher über Bernanos in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Eine bessere Ausstattung als ein kleiner grauer Pappendedcelband wäre ihr deshalb zu wünschen gewesen.

Die Vorzüge einer solchen Ausstattung besitzt ohne Zweifel „Die unbeugsame Schar“ (Verlag Die Arche, Zürich. 160 Seiten). Unter diesem Titel verbirgt sich eine Auswahl schöner und charakteristischer Textproben aus Bernanos' Lebenswerk, gesammelt aus allen seinen Bänden, zusammengetragen von überall her — ein flüchtiger Blick eher, denn eine echte Begegnung, Vorteile des Buches: Das Interesse des Lesers wird geweckt, er will mehr von Bernanos erfahren und lesen. Eine Bibliographie des französischen Gesamtwerkes und der deutschen Ubersetzungen weist den Weg. Aufmerksamkeit erregt der Abdruck der ersten bekannten Novelle des Dichtere, die er als junger Redakteur eines französischen Provinzblattes veröffentlicht hat Neben dem Teilabdruck des oben besprochenen Bernanos-Essays Oswald von Nostiz, zeichnen einige, von Albert Beguin vermittelte, eindrucksvolle Bilder aus verschiedenen Lebensabschnitten Bernanos' dieses Buch aus.

Der Einbürgerung von Bernanos' Büchern in Österreich sollte, wie 6chon betont, ein Wort gesprochen werden. Mehr aber noch der Einbürgerung des Geistes, den diese atmen. Denn dieser ist es, der mithalf, das der Gegenwart und ihren dringenden Aufgaben zugewandte Gesicht des französischen Katholizismus zu formen, zu einem Vorbild.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung