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„Ich habe keine Freude am Stellungskrieg ..
Die Freude. Ein Roman. Von Georges Bernanos. Deutsch von Eckhart Peterich. 2. Auflage. Jakob Hegner Verlag, Köln und Olten. 320 Seiten
Die Freude. Ein Roman. Von Georges Bernanos. Deutsch von Eckhart Peterich. 2. Auflage. Jakob Hegner Verlag, Köln und Olten. 320 Seiten
Der Verlag Jakob Hegner ist in seiner dankenswerten deutschen Edition des Romanschaffens Georges Bernanos’ weit vorgeschritten. Nach den großen wuchtigen Aussagen, wie sie das „Tagebuch eines Landpfarrers", „Die Sonne Satans" und „Die tote Gemeinde" bergen, kamen weniger bekannte Werke aus des Dichters letzten Lebensjahren, denen wir bekanntlich hauptsächlich die aufrüttelnden polemischen Schriften verdanken. Nun geht der Verlag den Weg zurück in die erste Schaffensperiode des im Dienste einer Versicherung unstet im Land umherreisenden .Bernanos. Das „Tagebuch" ist noch ungeschrieben, von den düsteren Ereignissen, die den zornigtraurigen Protest der „Großen Friedhöfe unter dem Mond" auslösen werden, ahnt niemand etwas. Wir schreiben das Jahr 1928. Der — wie Bernanos später selbst bekannte — auf den schmutzigen Marmorplatten der verschiedenen Bahnhofsrestaurationen emsig schreibende Versicherungsagent hat vor einem Jahr sein erstes Buch herausgebracht: „Unter der Sonne Satans." Der totgesagte, verlachte oder verharmloste Teufel wurde wieder in die Literatur, eingeführt. Eine große Vision, voll dichter, bedrückender Atmosphäre lag vor und machte den Verfasser über Nacht bekannt.
Jeder, der dieses Werk gelesen hat. wird es verstehen, daß Bernanos nachher das Bedürfnis verspürte, lichtere Gestade aufzusuchen. Zwei Bücher entstehen, die unmittelbar Zusammenhängen: „Der Betrug" und „Die Freude". Das letztere liegt in seiner 2. deutschen Auflage vor uns, das erstgenannte wird folgen. Wir hätten der umgekehrten Folge den Vorzug gegeben.
So erfährt der Leser nur von dem gewaltsamen Ende des Abbes Chevance, der in dem Herzen der i-ungen Chantal den Keim zur „Freude" legt, ja sie zur Personifikation der Freude selbst werden läßt. Wir sprachen von lichteren Gestaden, denen Bernanos zustreben wollte. Aeußerlich merken wir freilich, wenig davon. Auch über dem Landsitz des i Schriftstellers De Clegerie — Chantals Vater — i über dessen Familie, Freunde und Gesinde scheint ebenfalls die schwarze Sonne Satans. Ein Reigen 1 von Lemuren umgibt das junge Geschöpf, das. unberührt und seltsam unpersönlich durch diese. Welt geht wie durch ein ihm wesensfremdes Medium. : Sein Sterben löscht auch die letzten Lichter aus.
Zurück bleiben Wahnsinn und Tod. Eine Ge- : schichte ohne „Handlung". Eher noch ein großes Gleichnis, das manche Deutungen zuläßt. Eine davpn gibt Urs von Balthasar in seinem Nach- , wort. Ein Buch, mit dem man seine Bernanos-Lektüre nicht beginnen soll!
Aber auch in ihm finden wir, vor allem in den ' Dialogen, kristallklare Gedanken. Einer von ihnen darf wohl als Bernanos Losungswort für seinen eigenen Lebensweg und Lebenskampf angesehen werden: „Doch wohin gehen? Das Kloster ängstigt mich: ob das eine Versuchung des Teufels ist? Im großen und ganzen liegt' mir nichts darsm, allzu sichtbar beschützt zu werden; ich habe keine Freude am Stellungskrieg, ich hätte viel eher Lust, I mich unter offenem Himmel herumzuschlagen, etwas zu plündern, in meinen Mantel gerollt im Biwak zu schlafen, wie Gott es fügt. .."
Ein Nachwort an Eckhart Peterich, dem bewährten Uebersetzer Bernanos'scher Romane: Es ; erscheint uns unerfindlich, warum in einem Buch, das ganz im Milieu des französischen Landes , spielt, das nur französische Familien- und auch Vornamen kennt, der Diener plötzlich der „Herr ! Franz” ist und das Dienstmädchen „Franziska" . gerufen wird. Auch mit einem Georg Ber- nanos können wir uns nur schwer befreunden. Genau so fremd käme uns ein Josef Verdi und ein Wilhelm Shakespeare vor …
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