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Ein engagierter Christ

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Historikern, die — insbesondere nach 1945 — und im AnschluB an eine Ge-schichtsphilosophie nach Marx den „Kampf gegen die Kriegsschuld-liige“ diskriminieren. Ihnen geht es darum, nachzuweisen, daB die „Ber-liner Regierung (1914) den Krieg ge-wollt haben muB“. Ein in dieser Frage gelungener Beweis ware kom-plementar zu Anschauungen, wie sie unter anderem Rosa Luxemburg ,,vom Anfang an“ und „angesichts des verbrecherischen Treibens deut-scher Imperialisten, Kapitalisten und Landrauber“ vertreten haben.

Der englische Autor, dem Namen und der heute gebrauchlichen linki-schen Schreibweise nach deutscher Herkunft und mit deutschem Sti-pendium ausgeriistet, reproduziert zu diesem Zweck aus hochfurstlichen Archiven zwei Zeugenschaften. Auf Grund ihrer diesbeztiglichen Auslas-sungen werden postum in den Zeugenstand der Geschichte geru-fen: Karl Max Fiirst Lichnowsky, sachlich inkompetenter, aber von Wilhelm II. geforderter deutscher Botschafter in London bei Kriegs-ausbruch 1914, und Philipp Fiirst zu Eulenburg — Hertesfeld, Regisseur des wilhelminischen Deutschlands und in einem ProzeB wegen Homo-sexualitat zugrunde gerichtet. Lich­nowsky wegen einer Schrift, die er, auBer Dienst, bereits wahrend des ersten Weltkrieges im Ausland ver-breiten lieB; Eulenburg auf Grund eines Briefwechsels, fiir den er Zeit des Bestands des Zweiten Reichs das Postgeheimnis in Anspruch nahm.

Beide Furstlichkeiten, maBig wie ihr Renomme 1914 bei Berliner Zen-tralstellen war, hatten an den Ent-scheidungen des Juli 1914 keinen Anteil. Nachher wuBten sie nicht viel mehr als das, was Gerede in jenen „besseren Kreisen“ war, die Her­kunft und Anschauung vom eigent-lichen Geschehen des Krieges fern-hielt. Es sind Typen, labil wie der jiingere Moltke, und nach Versagen in geschichtlicher Funktion pene­trant in ihrer Selbstgerechtigkeit zwecks Selbstrechtfertigung. Zeit-genossen, selbst die Kriegspropa-ganda der Entente, wuBten dies-beziiglich Bescheid.

,J3ernanos“, das umfangreiche und immer noch maBgebende Werk von Hans Urs von Balthasar, dem „great old man“ der christlich-theo-logischen Bernanos-Deutung — be reits vor 17 Jahren bei J. Hegnei (Koln/Olten) erschienen (X. Jahr-gang [1955], S. 384 ff.) — hat vor kurzem der Johannes-Verlag, Ein-siedeln, wieder aufgelegt (1971). Der etwas veranderte Titel dieser neuen Ausgabe, „Gelebte Kirche: Berna-nos“, konnte vielleicht zu der An-nahme fiihren, es handle sich, wenn nicht um ein vollkommen neues Buch, so doch um eine umgearbeitete, vervollstandigte Fassung des Ori­ginal textes. Dem ist aber nicht so: die vorliegende 2. Ausgabe ist nichts anderes als die wortwortliche Wie-dergabe der ersten Fassung. Seit 1954 hat die Bernanos-Forschung bedeutende Fortschritte gemacht. Postume Werke- sind erschienen: Fragmente, Skizzen und Zeitungsarti-kel vor allem polemischer Natur. Der 1. Band der Briefe, nun chrono-logisch geordnet und kritisch ediert, liegt seit ein paar Monaten vor. Auf Grund dieser neuen Schriften hat die Bernanos-Forschung verhaltnis-maBig neue Wege eingeschlagen und die Bernanos-Literatur — im deut­schen Sprachraum seit zehn Jahren sehr diinn gesat — hat in Frank-reich, in Kanada und in der romani-schen Schweiz immer grdBere Aus-maBe angenommen. 1969 fand in Cerizy-la-Salle, in der Normandie, ein zehntagiges Kolloquium iiber Bernanos statt, dessen Referate und Diskussionen soeben in Paris (im Verlag Plon) erschienen sind. Die Publikationen der „£tudes Bernano-siennes“ (Paris, Lettres Modernes) haben bereits den 12. Band erreicht. Universitatsprofessoren und Ver-treter der neuen Literaturkritik, be-sonders die des Strukturalismus, haben angefangen, sich mit Berna­nos' Schaffen zu beschaftigen und sie zeitigen schon sehr aufschluB-reiche Ergebnisse. Diese summari-sche Bestandaufnahme bezweckt in keiner Weise, das uberragende und zeitlose Werk von Urs von Baltha­sar zu bemangeln. Mole sua stat. Man vermiBt aber in dieser zweiten Auflage eine erneuerte Biblio-graphie: mit 1954 endet das Ver-zeichnis der Werke von Bernanos und mit 1951 die Liste der Studien und Kommentare.

Allein an Hand der Romane, denen Balthasar sein besonderes Augen-merk gewidmet hatte, konnte man schon sehen, daB Bemanos' Schick-sal und schriftstellerisclies Schaf­fen ein tiefchristliches „Erlebnis“ ge­wesen ist. Der 2. Teil von Bal-thasars Werk: „Die Kirche als Le-bensraum“ (197/475) und „Die Theo-logie der Sakramente“, die der Autor sachgemaB und tiefschiirfend zugleich in Bernanos' Haupt-romanen herauszulesen vermochte, war die Analyse eines existentiellen Erlebnisses: eben bereits des der „gelebten Kirche“, gelebt und er-lebt durch einen Laien, der besser und tiefer als manche Berufs-theologen um das Leben und das dramatische Schicksal der Person

Kirche weiB. Balthasar war sich aber dariiber vollkommen klar, daB er dem „Christen in der Zeit“ (477/510) und der „Kirche in der Zeit“ (511/540) nicht so lange und ausfuhrliche Betrachtungen wie dem „inwendigen Geheimnis der Kir­che“ (477) gewidmet hatte. „Wir mussen uns versagen“, schrieb er damals, „diese zweite Seite des Dichters auch nur einigermaBen dar-zustellen. Die Aufgabe wurde ein Buch gleichen Umfangs, wie das vor­liegende, erfordern. Doch ist es un-moglich, uber Bernanos zu reden, ohne sein Urteil iiber die Gegen-wart anzudeuten“ (478). Mit Bezug auf diese Erkenntnis hat der Rezen-sent versucht, den christlich, poli­tisch und sozial engagierten Pole-miker Bernanos zu wurdigen (Ber­nanos und die menschliche Freiheit, O.-Mtiller-Verlag, 1961). Er darf nun um so mehr bedauem, daB der selbst engagierte Theologe Baltha-gar nicht die Mdglichkeit haben konnte, uns an Hand der Romane und der polemdschen, teilweise postumen Werke zu erklaren, warum Bernanos, genauso wie er selbst, „in der Kirche bleiben“ wollte (siehe „Die Furche“ Num-mer 28 vom 10. Juli 1971). Mehr denn je namlich kann der Glaubige heute in dem christlichen, nicht immer leichten und ruhigen „Erleb-nis der Kirche“ von Bernanos nicht nur das Mysterium der Angst, des infolge des Krieges schon knapp. Dafiir kauften sich viele Men-schen Biicher, aber auch diese wurden schon knapp, da auch die Produktion der Verlage gedrqs-selt wurde. Die Buchhandlungen kamen in die gliickliche Lage, auch die altesten Ladenhiiter ver-kaufen zu konnen. Einer dieser Ladenhiiter einer Wiener Buch-handlung waren diese beiden Biicher von Adolf Loos, die mein Bruder entdeckte. Ich las sie in einem Zug durch, so fasziniert war ich von dem Inhalt. Diese klassischen Werke der Architek­tur sollten wieder einmal auf­gelegt werden, sagte damals mein Bruder. Er wiederholte diese Worte 1946, als ich in den Verlag „Herold“ eintrat. Und er wieder­holte sie nochmals, als ich 1954 Geschaftsfiihrer des Verlages wurde. Da begann ich endlich auf die Jagd nach diesen beiden Bti-chern zu gehen. Es dauerte lange, bis ich herausfand, wer denn eigentlich der Eigentiimer der Rechte sei. Und es vergingen noch einmal viele Jahre, bis end­lich diese beiden Bande in einem Band erscheinen konnten. Ein langer Eroberungszug schien glticklich beendet. Aber gleichzei-tig wurde schon ein neuer Plan gefafit, denn noch gab es unver-offentlichte Schriften von Adolf Loos. Diese sollten in einem zwei­ten Band herausgebracht werden.

Voller Stolz zeigte ich den Jour-nalisten die ersten Exemplare. Ein Mitglied des Burgtheaters las den beriihmten Essay „Ornament und Verbrechen“ vor. Die Stim-mung dieser Pressekonferenz war groBartig. Sie schlug sich in den

Schmerzes, des Argernisses oder des Mitleids erspiiren, sondern auch einen giiltigen Schliissel flnden, um das Tor zur seelischen Freiheit, zum freimtitigen Engagement, zur kom-promiBlosen Aufrichtigkeit und un-erschutterlichen Treue zu offnen. Die jetzige, postkonziliare Ara, die ein Bernanos mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit und Anteilnahme „erlebt“ hatte, beweist immer klarer dia zeitlose, humanistiseh-christ-liche, echt katholische Aktualitat seiner geistigen Botschaft. Auch in dieser unveranderten Ausgabe legt Balthasar's Werk uber Bernanos und dafiir ein beredtes Zeugnis ab. Andre Espiau de La Maestre

RICHTIG GELEBTE KIRCHE: BERNANOS. Von Hans Urs von Balthasar. Johannes-Verlag, Ein-siedeln, 548 Seiten. sFr. 35.—.

Um die Stabilitat des Schillings bestimmte Zeit geplanten Hinter-legung des Erloses bei der Osterrei­chischen Nationalbank entsprechen diese Operationen einer Stillegung von insgesamt rund 4 Milliarden Schilling.

Dariiber hinaus reduziert das Finanzministerium durch eine fiinf-zehnprozentige Bindung der Ermes-senskredite mindestens fiir die erste Halfte dieses Jahres seine nach-fragewirksamen Ausgaben. Dem gleichen Ziel dient auch die Absicht, das Konjunkturausgleichsbudget — solange die derzeitigen Konjunktur­erwartungen bestehen — nicht zum Einsatz zu bringen. Bei der Auf-nahme von Krediten will der Bund vornehmlich auf inlandische Mittel zuriickgreifen. In Erganzung dieser MaBnahmen kamen das Bundes-ministerium fiir Finanzen und die Osterreichische Nationalbank mit dem Kreditapparat iiberein, die in den Kreditkontroldabkommen fest-gelegten Kreditplafonds um 2 Pro-zentpunkte zu senken, dies bedeutet eine Verminderung des Kreditgewah-rungsspielraumes um rund 4 Mil­liarden Schilling. Das im August des Vorjahres zwischen der Noten­bank und den Kreditunternehmungen abgeschlossene Gentlemen's Agreement zur Vermeidung der Her-einnahme von Geldern aus dem Aus­land wurde in der geltenden Fassung einvernehmlich bis zum 30. Juni ver-langert.

Der Kreditapparat sagte weiter zu, die MaBnahmen der Notenbank nicht zum AnlaB fiir eine ErhShung der Kreditkosten zu nehmen und auf seine GroBkunden einzuwirken, von der Aufnahme von Auslandskrediten moglichst abzusehen. Umgekehrt will die Osterreichische National-bank ihrerseits die Bewilligungs-praxis bei Kapitalexporten noch liberaler als bisher gestalten.

Auf Grund der genannten Zusagen konnte die Notenbank von der zur Diskussion gestellten Senkung der Bankrate Abstand nehmen.

Durch diese koordinierte Aktion wurde ein Beitrag zur Dampfung un-erwiinschter Auftriebstendenzen ge-leistet. Die angelaufene Lohnwelle laBt die nachsten Monate als beson-ders kritisch erscheinen. Eine ent-sprechende Lohnpolitik der Sozial­partner konnte verhindern helfen, daB eine funfprozentige Inflations-rate in Osterreich zur Dauereinrich-tung wird.

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