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Wenn die Hölle losbricht

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Eines kann man Claus Peymann beim schlechtesten Willen nicht nachsagen: daß er zu wenige Werke österreichischer Autoren aufführt. Ob er die nötige Vielfalt an Dramatikern fördert und die geeignetsten Stücke auf den Spielplan setzt, darüber kann man streiten, aber das reine Quantum an heimischen Theaterstücken ist beachtlich.

Für die jüngste Burgtheater-Premiere war zumindest das Stück gut gewählt. Das Trauerspiel „Der Turm” von Hugo von Hofmannsthal, ein Lebensthema dieses Dichters, mit dem er sich in mehreren unterschiedlichen Fassungen viele Jahre lang herumgeschlagen hat, mußte lange Zeit die gebührende Anerkennung entbehren. Die schon von Calderon in „Das Leben ist ein Traum” erzählte Geschichte vom Prinzen Sigismund, den sein Vater, König Basilius, in einen Turm sperren läßt, weil Sterndeuter ihm Gefahr von diesem Kind verheißen, wird bei Hofmannsthal vollends zur sehr modern wirkenden Story vom Bingen um die Macht. Ein Bingen, in dem letztlich fast alle scheitern, der sich noch als Monarch von Gottes Gnaden verstehende Basilius ebenso wie jene, die in Sigismund ein Werkzeug ihrer Machtpläne sehen.

Auch Graf Julian, in dessen Obhut Sigismund als Gefangener im Turm aufgewachsen ist, muß erkennen, daß die von ihm für sein „Geschöpf” Sigismund vorbereitete Revolution seiner Kontrolle entgleitet, er zum Werkzeug eines anderen geworden ist: „Ich habe die Hölle losgelassen, und jetzt ist die Hölle los.” Daß Hofmannsthal letztlich den Soldaten Oli-vier, anfangs ein einfacher Gefreiter, mit Hilfe der unteren Stände zum Diktator aufsteigen läßt, wirkt prophetisch: Fünf Jahre nach der Uraufführung von 1928 ergriff in Deutschland der ehemalige Gefreite Adolf Hitler die Macht.

In Hans Hollmanns viel zu langatmiger Burgtheater-Inszenierung kommen leider die Qualitäten des Stückes zu wenig zur Geltung. Bühneneffekte, wie das Aufsteigen und Versinken des Turmes, in dem unten der Gefangene schmachtet und auf dem oben der Thronsessel steht, werden ausgiebig zelebriert, die künstliche Dramatik, welche die bei Szenenwechseln laut einsetzende Musik von Otto M. Zykan suggeriert, vermag nicht jene Spannung zu erzeugen, die dem zerdehnten Geschehen auf der Bühne fehlt.

Da verlieren dann auch die Schauspieler in diesem bis auf die resolute Bäuerin der Bibiana Zeller reinen Männerstück oft an Farbe und Schärfe. Johannes Krisch (Sigismund) schlägt sich ehrenvoll in der schwierigen Rolle als Kaspar-Hauser-artiger Prinz, Peter Matic (Julian) weiß den machtbewußten Aristokraten lange gut zu verbergen. Lambert Hamel (Basilius) findet dagegen nicht immer den richtigen Ton. Viel Applaus gab es für den zutiefst österreichisch wirkenden Diener Anton des Wolfgang Gasser, neuerdings Burgtheater-Ehrenmitglied, den humanen Arzt des Rudolf Buczolich und den der irdischen Macht, aber nicht der irdischen Schadenfreude abholden Bruder Ignatius des Hans Dieter Zeidler.

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