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Hie Renner, hie Raab?

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Jetzt ist es glücklich so weit. Während seit einigen Wochen ein sozialistisch inspiriertes Komitee für die Errichtung eines Dr.-Karl-Ren- ner-Denkmals wirbt, hat sich — wie vorauszusehen — nun auch unter Patronanz namhafter Experten der Volkspartei ein „Kuratorium zur Errichtung eines Julius-Raab-Denk- mals“ konstituiert. Es mußte so kommen —, mußte es wirklich so kommen?

Wir haben vor einiger Zeit an führender Stelle dais Problem verdienter Männer unseres Gemeinwesens in der Gegenwart gründlich untersucht und sind dort zu folgender Erkenntnis gekommen:

„Das Denkmal ist eben keine, mehr noch, es ist — auch zumeist künstlerisch — die schlechteste Form, in unserer Gegenwart hochverdiente Männer unseres Gemein- wesens zu ehren und das Andenken an sie wach zu halten. Die Denkmäler unserer Zeit heißen Stiftung. Sie finden ihren Ausdruck in Preisen, die für Leistungen vergeben werden, die in der Nachfolge des Mannes, mit dessen Namen sich der Preis verbindet, vollbracht wurden.... Statuen aus Bronze oder Stein, möglichst in Lebensgröße, in heroischer Haltung oder in leutseliger Geste, nein, überlassen wir da den Diktatoren. („Furche“ 22/64)

Wir haben auch die Genugtuung gehabt, daß diese Stellungnahme von den Proponenten der beiden Vorhaben sachlich diskutiert und sogar mehr Zustimmung gefunden hat, als vielleicht zu erwarten war.

Warum aber wählte man doch den anderen, den schlechteren Weg, der uns nun auch zu allem Überfluß den Denkmalproporz bescheren wird? Auf sozialistischer Seite war es ein gewisser Justamentstand punkt, dem bei der entsprechenden Sitzung der Vizekanzler Ausdruck gab. Und die Volkspartei? Hier war es das alte Lied. Wenn die Sozialisten Renner ein Denkmal bauen, dann können wir doch nicht zurückstehen... Dabei könnte man doch versuchen, sich nicht, wie in anderen Fällen, das Gesetz des Handelns vom parteipolitischen Gegner aufzwingen zu lassen. Vielmehr wäre es angezeigt, ihm auf einer anderen Ebene zu begegnen und dort zu überrunden. Gerade bei der nüchternen unpathetischen Persönlichkeit eines Julius Raab gäbe es bestimmt Möglichkeiten einer posthumen Ehrung, die dem Charakter des verstorbenen Altkanzlers besser entsprechen würden.

Aber nein, Bronze und Erz müssen es sein. Dem ästhetischen Empfinden 1st heute schon vor dem Ergebnis in beiden Fällen bange.

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