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Makropulos, Aniara, Therese

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Im Zuge eines Austauschgastspiels zwischen der Königlichen Oper Stockholm und der Bayerischen Staatsoper München, stellte Gönar Gentele, Direktor der' Stockholmer Oper, drei Werke erstmals in München vor: Zunächst einmal machten die Gäste mit der Oper „Die Sache Makropulos“ von Leos Janäcek bekannt, ein Werk der klassischen Moderne. Man sollte denken, der Weg von Prag nach München sei relativ kurz und direkt, aber in der „Sache Makropulos“ führte er über Stockholm, obwohl das Werk bereits zwischen 1923 und 1925 konzipiert wurde. Die Schweden nahmen sich des differenzierten Stoffes mit Hingabe an, aber trotz guter Passagen (mit der überzeugenden Elisabeth Söderström in der Titelpartie und mit dem jungen Dirigenten Leif Se- gerstam am Pult) konnte sich der Regisseur Gentele nicht konsequent genug für das Farcehafte, Skurrile, zuweilen Surreale der Handlung entscheiden. Sind schon in der „Sache Makropulos“ utopische Elemente zu finden (die berühmte Sängerin hat vor 300 Jahren von ihrem Vater, einem Alchimisten, ein Lebenselixier erhalten, muß aber zu der Erkenntnis gelangen, daß ein Leben ohne Ende zwecklos und die wahre Würde des Lebens nur im Tod zu finden ist), ist Utopie der eigentliche Inhalt von „Aniara“. Für den Besucher dieser Aufführung am Ende des Jahres 1969 ergibt sich eine erschütternde, ja beängstigende Aktualität: Die utopischen Visionen des Dichters Harry Martinson und seines Ton- setzers Karl-Birger Blomdahl (1968 verstorben), sind in den wenigen Jahren der Distanz bereits überholt, das bemannte Raumschiff ist längst zur Realität geworden. Es geht dabei um. ein .kollektiv-humanes Drama:

. Die. Passagi,ere,des aus seiner Bahn geschleuderten Raumschiffs „Aniara“ sind dazu verurteilt, ihre Reise ins Unendliche, bis zur Grenze des natürlichen Todes fortzusetzen.

Was diese „Aniara“ jetzt noch tragen könnte, ist eine ganz neue Perspektive, die sich durch die Landung der ersten Astronauten auf dem Mond ergeben hat. Aber die Musik Karl- Birger Blomdahls ist solchen Aspekten nicht gewachsen; das wird schon klar, wenn man einen Blick in den Klavierausizug tut. Diese Musik hat kein Gesicht, alle Ausdrucksbereiche werden bemüht, Chorsatz, Jazz, Elektronik, ein wenig Konvention, ein wenig Modernität. Die Wahl der Mittel ist bedenklich, sie führt zur Illustration. Der Regisseur Gentele hat sich an den Untertitel: „Eine Revue vom Menschen in Zeit und Raum" gehalten, und er kann mit einigen Effekten aus seiner Filmer- fahrung poetisches Kapital schlagen, aber das Raumschiff „Aniara“ bringt auch er nicht mehr auf Kurs.

Absoluter Höhepunkt des Schweden- gastspiels in München wurde die Aufführung der experimentellen Oper „Therese — ein Traum“ von Lars Johan Werle' nach der Novelle „Pour une niuit d’amour“ von Zola.. Werles neue Arena-Bühne hatte Zugkraft, die Zuschauer zeigten sich — eingekeilt zwischen die runde Spielfläche und die auf den ganzen Hintergrund verteilten Instrumentalisten (Dirigent: Ulf Björlin) — stark beeindruckt. Lars Johan Werle ist mit seiner „Therese“ ein Wurf gelungen, der dem epochalen Werk Strawinskys „Die Geschichte vom Soldaten“ ohne Vermessenheit vergleichbar ist. Von den ersten imaginären Orgelakkorden an, waren Zola und Werle präsent, die Atmosphäre war so dicht, wie lange nicht mehr auf einer Münchner Bühne. In der beklemmend-intensiven Regie von Lars Runsten hatten die Darsteller, trotz der hautnahen Konfrontation mit dem Publikum eine außergewöhnliche Faszination. Die deutsche brillante Erstaufführung von Werles Arena-Oper wurde zu einem enthusiastisch gefeierten Erfolg für den Komponisten und das Ensemble.

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