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Breite Gesetzespalette

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Den österreichischen Justizbehörden steht eine breite Palette von verfassungsgesetzlichen bis einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung, um nazistische und neonazistische Aktivitäten zu unterbinden. Der einzige Haken daran: Die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen werden — seit sie bestehen — nur mäßig angewandt, öfter schon wurde ein Verfahren wegen nazistischer Betätigung mangels ausreichender Beweisführung eingestellt.

Das liegt sicher einmal daran, daß sich die bestehenden Gesetze in erster Linie auf die Wiederbetätigung im Sinn des Nationalsozialismus beziehen. Und neonazistische Gruppen, Organisationen und Personen haben es bisher meist trefflich verstanden, unter der Flagge der Legalität und dem Bekenntnis zur Demokratie zu segeln.

Das im Verfassungsrang stehende Verbotsgesetz von 1945 verbietet neben der Wiedererrichtung jeder nationalsozialistischen Organisation auch jede Betätigung „im nationalsozialistischen Sinn".

Zwischen 1970 und 1981 gab es überhaupt nur eine (bedingte) Strafe wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz. Wie überhaupt auffällt, daß man bis in die sechziger Jahre wesentlich häufiger nationalsozialistische bzw. neonazistische Tätigkeit angeklagt - und auch verurteilt hat.

Auch der Staatsvertrag von 1955 enthält mehrere Richtlinien und Verbote: Verbot des Anschlusses an Deutschland und die Verpflichtung Österreichs, Handlungen und Organisationen zu verhindern, die auf eine Vereinigung mit Deutschland hinauslaufen; Auflösung von Organisationen, die nationalen Minderheiten feindlich gegenüberstehen; Verpflichtung, alle nazistischen Spuren aus dem kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben zu entfernen. Allerdings sind im Staatsvertrag keine Strafbestimmungen vorgesehen.

Durch die Ratifizierung des „Internationalen Ubereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung" (1972) hat Österreich die Verpflichtung übernommen, gegen jede Propaganda und alle Organisationen vorzugehen, die Rassenhaß propagieren. Dieser Verpflichtung gerecht geworden ist man durch den „Verhetzungsparagraphen" im Strafgesetzbuch (§ 283).

Schon in der Vergangenheit wurde die Tätigkeit neonazistischer Vereine nach dem Vereinsgesetz oftmals unterbunden.

Auch kam es nach dem Pressegesetz (jetzt Mediengesetz) zur Beschlagnahme einschlägiger Druckerzeugnisse.

Neonazistische Organisationen haben sich aber seit Inkrafttreten des Parteiengesetzes 1975 zunehmend darauf verlegt, den Status einer politischen Partei zu erlangen. Die Tätigkeit von Parteien — so sie einmal nach Hinterlegung formell einwandfreier Satzungen diesen Status erreicht haben — darf dann keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterliegen.

Wenn Neonazi-Parteien in der Folge versteckt oder offen neonazistisch agieren, kann gegen sie rechtlich nicht vorgegangen werden. Die Auflösung einer Partei, aus welchen Gründen immer, ist dem Parteiengesetz fremd.

Die Urteile im jüngsten Neonazi-Prozeß in Wien — vier unbedingte und fünf bedingte Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren — sind, zieht man die bisherige Spruchpraxis in Betracht, insofern untypisch für Verfahren gegen Neonazis, als bei allen Angeklagten der Tatbestand der Wiederbetätigung diesmal als gegeben erachtet wurde. Allerdings waren für das Ausmaß der Strafen auch andere Bestimmungen — Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, unerlaubter Waffenbesitz, Urkundenfälschung — ausschlaggebend.

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