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Filme mit Regisseuren

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Was bedeutet das, wenn jemand — ein Schauspieler vielleicht — einen Film mit sich in der Hauptrolle inszenieren kann? Gipfelpunkt der Befriedigung erfüllter Eitelkeit — für den einen möglicherweise, für den anderen Gelegenheit zur Selbstbesinnung, zur Darstellung einer schwärmerischen Liebe. Beide Aspekte zu erkennen, ermöglichen zwei Filme dieser Woche, in denen jeweils der Regisseur mit dem Hauptdarsteller identisch ist.

In „Ein Fremder ohne Namen“ gibt der Regisseur Clint Eastwood, einst Superheld des Italo-Western und als solcher Mitbegründer eines neuen Western-Stils rauher Manieren, seinem Hauptdarsteller Eastwood , Gelegenheit, sich selbst., ^jg, Mythos zu monumentalisieren: dazu benützt er die Gesamtgeschichte dieses Genres — von „12 Uhr mittags“ über den Symbolismus Sergio Leo-nes bis zu den Riten Sam Peckin-pahs — und braut eine überladene, höchst effektvolle Geschichte über die Schlechtigkeit der Menschen zusammen, deren „Hölle“ durch einen geheimnisvollen Rächer, einen zynisch-kalten Über-Mephisto (mit leidenden Zügen), im wahrsten Sinn des Wortes Wirklichkeit wird. Der Schauspieler-Regisseur, sich selbst bereits als Mythos erkennend, verwendet diesen zur Demonstration des Films als moralischer Anstalt — Überheblichkeit oder Spekulation?

Ganz anders Francois Truffaut in „Die amerikanische Nacht“ (der Fachausdruck für Aufnahmen von Nachtszenen am hellen Tag mittels eines Spezialfilters): Truffauts „Hauptdarsteller“ in seinem 13. Film ist nicht er selbst — obwohl er als Filmregisseur selbst mitspielt und in dieser Gestalt sein fortgeschrittenes „alter ego“ Antoine Doi-nel von „Sie küßten und sie schlugen ihn“, „Liebe mit zwanzig“, „Geraubte Küsse“ und „Domicile conju-gal“ bis in die Gegenwart fortführt —, sondern sein geliebtes Metier, der Film. Und er erzählt hier die Geschichte eines (fiktiven) Films „Je vous presente Pamela“, der in den Studios „La Victorine“ in Nizza von einem französischen Team mit einer großen internationalen Starbesetzung gedreht wird — vom ersten Drehtag an bis zum letzten. Hier zeigt Truffaut ebenso wie ein Film entsteht (und scheut sich ebensowenig, Tricks zu entlarven, wie die hysterisch-unechte Welt der Filmleute, ihre krankhafte Überheblichkeit und anormale Launenhaftigkeit, ihren kindlichen Stimmungsumschwung ständig, zu glossieren), wie aber auch diese künstliche Welt faszinierend ist, wie sie einen in Bann schlagen kann und nie mehr ausläßt: die Träume des Regisseurs kreisen ständig um seine Jugend, als er — schon damals magisch angezogen — als Bub nächtlich Photos von „Citizen Kaine“ aus dem Schaukasten des Kinos stahl... Er zeigt Wirklichkeit und Film, Film im

Film, Illusion und Wahrheit, zu einer Einheit verschmolzen — und immer wieder Anspielungen auf die Größen dieser (sterbenden) Schein-weit, deren Ende er hier prophezeit: „Eine Epoche geht zu Ende, bald gibt es nur noch Filme ohne Stars, ohne

Drehbuch, Filme, die auf der Straße entstehen.“ Man kann diese Selbsterkenntnis Truffauts mit dem Zustand vergleichen, in dem sich Fellini befand, als er „Achteinhalb“ schuf. Wie wird es weitergehen?

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