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Hilfe für das Grenzland

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Das West-Ostgefälle der räumlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs hat in den Grenzgebieten zu unseren östlichen Nachbarn besonders tiefe Spuren hinterlassen: Ein im Durchschnitt tim 36 Prozent niedrigeres Steueraufkommen, geringe Kaufkraft aufgrund leerer Gemeindekassen, mangelnde Infrastruktur, schlechte Wohnungsstandards, ein um durchschnittlich ein Drittel geringeres Bruttoeinkommen bei den Industriebeschäftigten, hohe Arbeitslosenraten, Mangel an außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, in einigen Regionen und Orten Bevölkerungsverluste von bis zur Hälfte durch Abwanderung und negative Geburtenbilanz. Die verschiedenen Maßnahmen der Regionalpolitik waren bisher wenig effizient. Bezeichnend ist vielleicht, daß im gegenwärtigen Raumordnungskonzept vom Grenzland überhaupt keine Rede mehr ist.

Wenn die Politik nicht eingreift, wird sich die Situation der Ostgrenzgebiete bei einemEG-Beitritt Österreichs noch weiter verschlechtern. Bisherige Analysen zeigen, daß für den Fall der Fälle gerade die Grenz- landbauem stärksten Wettbewerbsstrukturen und höchsten Einbußen ausgesetzt wären. Denn die Landwirtschaft im Grenzland ist meist auf Ackerbau-, Veredelungs- und Spezialkulturen konzentriert, die kleinbäuerliche Betriebsstruktur herrscht vor. Die wirtschaftlichen Disparitäten drohen sich zu Lasten der Ostgrenzgebiete weiter zu vergrößern, die unzureichende Dynamik gefährdet die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturlandschaftserhaltende Funktionsfähigkeit des Grenzlandes.

Strategien zum rechtzeitigen Gegensteuem sind erforderlich. Denn noch mehr als der Verlust der ökonomischen Prosperität wirken die sozialen, kulturellen und ökologischen Schäden. Diese sind nur schwer und unter größtem finanziellen Aufwand zu reparieren. Gerade im Grenzland bedeutet Landwirtschaft mehr. Sie ist die Basis der Kultur, sie prägt die Landschaft. Die Politik muß sich, ob EG ja oder nein, mehr denn je um die Menschen im Grenzland annehmen. Vordergründig geht es dabei nicht um die Existenzsicherung des einzelnen, sondern das Grenzland müßte auch im regional- und staatspolitischen Interesse aller Österreicher liegen.

Agrarp olitische Entscheidungen haben für die Wirtschaftssituation des Grenzlandes handfeste Auswirkungen: 1988 standen mehr als 100 Millionen Schilling aus Bundesmitteln im Rahmen von landwirtschaftlichen Sonderprogrammen zur Verfügung. Für 1989 sind erstmals Direktzahlungen an bäuerliche Betriebe im Grenzland im Umfang von 2 5 Millionen Schilling aus Bundesmitteln vorgesehen. Von den Ländern wird ein gleich hoher Beitrag erwartet. Im Rahmen einer Modellförderaktion sollen in der Steiermark produktionsunabhängige Direktzahlungen an bäuerliche Betriebe in den steirischen Grenzgemeinden und an Kleinlandwirte gewährt werden. Mit diesen Di- rektzahlungen sollen, getreu des ökosozialen Weges der österreichischen W irtschafts- und

Agrarpolitik, neben der wirtschaftlichen Verbesserung der Betriebe auch ihr unverzichtbarerBeitrag zur Besiedlung des ländlichen Raumes und Gestaltung der Kulturlandschaft belohnt werden.

Österreich steht in der Unterstüt zung für die Grenzlandgebiete nicht allein da. Die bundesdeutschen Zonenrandgebiete zur ÖSSR und DDR weisen deutliche Parallelen zum österreichischen Ostgrenzgebiet auf. Hier wie dort ist die Landwirtschaft die entscheidende wirtschaftliche

Säule der peripheren Räume. Die Grenzlandförderung als gemeinsames Anliegen von Bund, Land und unterstützt durch den EG-Struk- turfonds genießt dort hohe Priorität undwird auch entsprechend dotiert. Österreich müßte zum Beispiel für Direktzahlungen an B ergb auem von rund 700 Millionen Schilling jähi> lieh auf über zwei Milliarden Schilling verdreifachen, für das Grenzland mindestens zwei Milliarden zusätzlich dotieren.

Die Forderung nach Direktzahlungen ist ein erster konkreter Ansatzpunkt für eine verstärkte Agrar- förderung im E G-b edrohten Grenzland. Ein umfangreiches Grenzlandförderung sprogramm muß jedoch neben den agrarpolitischen auch wirtschafts-, sozial- und steuerpolitische Hilfestellungen der öffentlichen Hand’beinhalten. Bildungspolitische Vorkehrungen sowie eine enge Verknüpfung von Agrar-, Umwelt- und Energiepolitik schaffen die Voraussetzungen für Be- schäftigungs- und damit Lebenschancen für die Menschen im Grenzland.

Der Autor ist Mitarbeiter der österreichischen Gesellschaft für Land- und Forstwirtsdiaftspoli- tikin Wien.

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