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Mit Leones Rücktritt hat auch Rom sein „Watergate“

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Leones Demission - ein halbes Jahr vor Ablauf seiner siebenjährigen Amtszeit - beweist einmal mehr, daß außerordentliche Situationen außerordentliche Lösungen erfordern. Italien befindet sich im labüen Gleichgewicht eines neuartigen Herrschaftssystems, dem nach außen hin eine christdemokratische Regierung, nach innen hingegen eine sie in Schach haltende kommunistische Partei vorsteht. In einem solchen DC-Regime von KPI-Gnaden kann von allen Seiten her Druck auf die Machtträger -nicht zuletzt auf das Staatspräsidium -ausgeübt werden. Dies ist jetzt Giovanni Leone zum Verhängnis geworden. Er mußte aus „Rücksicht“ auf höhere Parteiinteressen seinen Hut nehmen.

Seit Jahr und Tag steht Giovanni Leone im Gerede dunkler Machenschaften in Sachen Lockheed-Schmiergelder und unlauterer Grundstückkäufe und „Verkäufe“. Besonders seine Frau Vittoriä und zwei seiner drei Söhne scheinen die hohe Stellung des Gatten und Vaters ausgenutzt zu haben. Allerdings gibt es auch einen Millionenscheck mit Leones Unterschrift für die Anschaffung einer Lu-

xusvilla mit 31 Zimmern, die er sich aus seinen sprichwörtlich eher bescheidenen Honoraren als Anwalt vor seiner Wahl im Dezember 1971 kaum hätte erwerben können.

Nicht von ungefähr nahm Leone gerade jetzt, ein halbes Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit, Abschied vom Quiri-nal. In diesen sechs Monaten des sogenannten „weißen Semesters“ darf der Staatspräsident laut Artikel 86 der Verfassung die Kammern nicht mehr auflösen und Neuwahlen ansetzen. Durch diese beschränkten Präsidialrechte wurden viele - besonders die rechtsstehenden Christdemokraten - in Angst versetzt, denn sie sahen sich bald um einen der besten Trümpfe der ihnen verbleibenden Hegemonie über die anderen Parteien gebracht. Denn bisher konnten sie den auf Unterzeichnung der Gesamtarbeitsverträge drängenden Gewerkschaften - und hinter ihnen - der KPI immer wieder die Drohung entgegenhalten: „Wenn ihr zuviel fordert, setzen wir Neuwahlen an und werden euch mit Hüfe der verängstigten Stimmbürger in die Ecke drängen.“

Der Anstoß zu Leones Demission kam von linker Seite, denn die KPI hat

dieses „Watergate all'italiana“ ausgelöst. Ob nach Absprache mit der De-mocrazia Cristiana oder auf eigene Faust, ist noch ungewiß. Nicht auszuschließen ist Berlinguers Anliegen, dem Fußvolk die Macht der KPI klar vor Augen zu führen: Daß es mit der KPI in der Regierungskoalition moralischer oder - mindestens - weniger unmoralisch zu und her gehe.

Wahrscheinlicher ist das kommunistische Bemühen, über eine neue Regierungskrise - im Anschluß an die Präsidentschaftswahlen - oder wenig später, den nächsten kleinen Schritt an die Macht zu vollziehen. Er könnte darin bestehen - dies pfeifen die Spatzen schon längst von den Dächern Roms -, daß sich die KPI nicht mehr damit begnügt, eine christdemokratische Regierung im Parlament zu uni terstützen, sondern eigene Minister in einer DC-KPI-Regierung stellen möchte.

Bald werden die wahren Gründe dieser noch undurchsichtigen - oder allzu durchsichtigen spektakulären Demission erkennbar werden.

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