6862506-1977_42_07.jpg
Digital In Arbeit

Polizeigewerkschaft mit Linksdrall „Streich am Staat” anstelle des Staatsstreichs

Werbung
Werbung
Werbung

In Italien liegen derzeit drei heiße Eisen im Feuer der parlamentarischen Debatte. Es geht um die Frage der Bildung einer Polizeigewerkschaft, um die Verschiebung der Novemberwahlen auf den kommenden Mai oder Juni, und um die Erhöhung der Unterschriftenzahl bei einem künftig einzureichenden Referendum. Während Kommunisten und Linkssozialisten diese Angelegenheiten verharmlosen, sehen rechtsstehende Politiker dabei nichts geringeres als den demokratischen Staat auf dem Spiel. Die prominente Mailänder Zeitung „Giomale Nuovo” nimmt kein Blatt vor den Mund und sieht in allen drei Fragekreisen Anzeichen eines stillen oder heimlichen Staatsstreichs, oder doch zumindest Versuche zu einem „Streich am Staat”, der zum linken Staatsstreich führen könnte.

Bei einer Protestkundgebung von 3000 Polizisten aus allen Teilen Italiens wurde kürzlich beschlossen, sich gegen Ende November einmal mehr in Rom zu treffen und dort in einer „Konstituierenden Versammlung” die Gewerkschaft ins Leben zu rufen. Rechtsstehende Christdemokraten und Liberale bekämpfen diesen Vorstoß, insofern sich diese künftige Gewerkschaft der Triplice, den vereinigten Linksgesellschaften, unterstellen möchte. Seit vier Jahren ist zwar die Unvereinbarkeit von Partei- und Gewerkschaftschargen offiziell anerkannt: ein Gewerkschaftsboß kann also nicht zugleich im Direktorium oder im Zentralkomitee der KPI sitzen.

Rechtsstehende sprechen jedoch von einer lediglich „kosmetischen” Trennung und trauen dem 1973 festgelegten Grundsatz keineswegs. Man weiß von Luciano Lama, Generalsekretär der größten Gewerkschaft des Landes, der CGiL, daß er Kommunist ist. Aus seinen Überzeugungen macht er bei Massenversammlungen keineswegs ein Hehl. Hat die CGiL mehr als die beiden andern Linksgewerkschaften bei Verhandlungen mit der Regierung Andreotti Mäßigung bewiesen und von vielen möglichen Streiks abgesehen, so ist dies, wie jedermann weiß, auf Anraten der KPI geschehen, die im Zeichen des Historischen Kompromisses ihre Wohlanständigkeit unter Beweis stellen wollte.

Mißtrauen gegenüber der Unabhängigkeit einer einheitlich organisierten Polizistengewerkschaft ist also gepaart mit der Angst vor einer Polizeigewerkschaft, die ihre Mitglieder davon abhalten könnte, bei einer Belastungsprobe ihre Aufgabe, den Schutz der demokratischen Einrichtungen, zu erfüllen. Die Polizei gehört ja, wie das Heer, zu den Machtträgem, die ebnen Staatsstreich durchführen oder auch unterbinden könnten. Nun geht das Bestreben der KPI zweifellos dahin, alle jene Machtträger, die ihrem wachsenden Einfluß gefährlich werden könnten, systematisch auszuschalten. Dahinter aber gleich die Ab-’ sicht der Kommunisten zu wittern, sich der Polizei, des Heeres und der Carabinieri zu bemächtigen, um dann mit deren Hilfe einen Staatsstreich durchführen zu können, geht wahrscheinlich zu weit. Zweifellos hat es aber die KPI darauf abgesehen, all die Leute, die bei den Mini-Staatsstreichversuchen von 1964, 1970, 1972 und 1974 das Vaterland vor der roten oder rotgelben Gefahr retten wollten, von oben und unten her schachmatt zu setzen. So darf es nicht verwundern, wenn bei der Kommandobesetzung verschiedener Heereseinheiten allemal jene Generäle zum Zuge kommen, die unter allen Anwärtern politisch am wenigsten weit rechts stehen. Die schwache, linksabhängige Regierung Andreotti kann ja schon seit einem Jahr keine Ernennungen gegen oder auch nur ohne den mitbestimmenden Willen der KPI vornehmen!

Die Unterbindung der Novemberwählen ist zwar bereits beschlossene Sache im Ministerrat, bedarf aber doch der Zustimmung des Parlamentes und könnte dort eine hart umstrittene Angelegenheit werden. Der gute Vorwand ist in diesem Fall die prekäre Wirtschaftslage.

Hinter diesem Alibi für die Verschiebung der Teilwahlen auf den kommenden Frühling steht aber auch die Angst aller direkt oder indirekt an der Regierung beteiligten Parteien, auch der KPI, von den Wählern für die nach wie vor bestehenden Mißstände verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen zu werden; sodaß viele dann den wirklichen Oppositionsparteien, der „Partei der Proletarischen Einheit” und den Neofaschisten, die Stimme geben könnten. Unter solchem Vorzeichen kann auch in dem Verschiebungsbeschluß ein „Streich am Staat” gesehen werden.

In die gleiche Richtung weisen die Vorstöße zur Erschwerung eines Referendums. Bisher genügten 500.000 Unterschriften, sehr wenige also im Verhältnis zur Gesamtzahl der Wähler. Nicht zuletzt die KPI fürchtet sich vor einem allzu leichten Aufstand von der Basis her, der viele von den KPI-Ex- ponenten mühselig errungene Vereinbarungen mit der Democrazia Cri- stiana und der Regierung zu unterbinden vermöchte. Für den Fall, daß der KPI unter Androhung von Generalstreiks und Kabinettssturz auch die Erschwerung des Referendums gelingen sollte, spricht der Radikalen-Führer Panella heute schon von einem „Staatsstreich durch die linke Seitentür.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung