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Wie vor 53 Jahren

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Im kommunistischen Parteisitz an der „Straße der dunklen Geschäfte“ herrscht Hochstimmung. Die Mitgliederzahl der KPI hat Ende Juli 1,71 Millionen überschritten. In einem einzigen Monat kamen 12.000 Neumitglieder hinzu; bei den kommunistischen Jugendorganisationen sind es seit dem 15. Juni, dem Tag der letzten Regionalwahlen, volle 50.000, die ihrer Vorliebe für die Kommunistische Partei noch sichtbareren Ausdruck verliehen haben.

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Im kommunistischen Parteisitz an der „Straße der dunklen Geschäfte“ herrscht Hochstimmung. Die Mitgliederzahl der KPI hat Ende Juli 1,71 Millionen überschritten. In einem einzigen Monat kamen 12.000 Neumitglieder hinzu; bei den kommunistischen Jugendorganisationen sind es seit dem 15. Juni, dem Tag der letzten Regionalwahlen, volle 50.000, die ihrer Vorliebe für die Kommunistische Partei noch sichtbareren Ausdruck verliehen haben.

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„Das ist ein alter Hut“, meint Schmalspurhistoriker und Starpublizist Indro Montanelli. „Immer dann, wenn die Italiener einen Regimewechsel am Horizont auftauchen sehen, bringen sie sich — bevor die große Stunde schlägt — bei der voraussichtlich bestimmenden Partei in Sicherheit. Dies war 1922, dem Jahr des Marsches auf Rom, nicht anders als 1943, da die faschistische durch die christlich-demokratische Herrschaft abgelöst wurde. Wir sind nämlich das Volk, das an nichts glaubt, außer an unsere Fähigkeit, alle anderen korrumpieren zu können.“

Solange der Zeiger nicht auf zwölf steht, versuchen die anderen Parteien, der KPI irgendwie den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Christlichdemokraten taten es durch Entmachtung des eine antikommunistische Politik verfolgenden Fanfani und Ernennung des linksstehenden Zaccagni zum neuen Generalsekretär. Bei den Sozialdemokraten setzte sich der ehemalige Staatspräsident Saragat durch, der jahrelang lediglich einer kleinen Linksströmung vorstand und sich schließlich aus der Politik zurückzog. In seiner Wahl durch Beifall hob Saragat die Nützlichkeit einer Begegnung mit der KPI über alle Probleme des Landes hervor: „Wenn einmal die reaktionären faschistischen Kräfte Italien bedrohen, werden die italienischen

Sozialdemokraten nicht zögern, im Verein mit den Kommunisten einen Gegner zu bekämpfen, von dem sie ein moralischer Abgrund trennt.“

Merkwürdigerweise wollen auch die Neofaschisten etwas vom Linksdrall gewinnen, bevor ihn die KPI sich völlig einverleibt hat. Ihr Deckname MSI (movimento sociale italia-no — italienische Sozialbewegung) soll verschwinden. Er wird von der öffentlichen Meinung zu sehr mit all. den Attentaten der Rechtsextremen in Zusammenhang gebracht. Italiens politische Rechte ist also auf der Suche nach einem weniger kompromittierenden Aushängeschild. Als Name bietet sich nationaler Rechtsblock ohne weitere Erklärung an. Ehemalige rechtsstehende Christlichdemokraten, Republikaner und Liberale sollten gewonnen werden. Bereits sind die Namen Merzagora und Pac-ciardi gefallen, die an der Spitze dieses Sammelbeckens des Bürgertums, des Privatkapitals, überhaupt aller nichtmarxistischer Kräfte stehen. Solange noch nicht alle Italiener das Heil bei der KPI und anderen links orientierten Parteien gesucht und gefunden haben, hat die Bildung einer entsprechenden Costituente des nationalen Rechtsblocks, falls eine solche Versammlung im September zustande kommt, eine gewisse Chance.

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