6836772-1975_19_05.jpg
Digital In Arbeit

„KP im Namen des Herrn“

Werbung
Werbung
Werbung

27 Morde, und es ist erreicht: Fan-fani hat verwirklicht, was er schon immer im Schilde führte und was mit der Zwangsläufigkeit der marxistischen Geschichtsbetrachtung und ihrer festlichen Heilsbotschaft früher oder später eintreten mußte: KPI-Boß Berlinguer auf der einen, und der amerikanische Präsident Kissinger auf der anderen Seite bitten ihn im Jänner 1980, den Vorsitz der neuen „Partei der italienischen Arbeiter im Namen des Herrn“ zu übernehmen und das Land in die glorreiche Zukunft eines europäischen Musterstaates zu führen. Democrazia Cristiana und KPI sind mit dem Segen des Vatikans (genauer: des deutschen Papstes Pauls VII., der wegen seines fremdländischen Akzentes von keinem Italiener mehr ernstgenommen wird) zu einer einzigen marxistischen Partei unter christlichem Vorzeichen verschmolzen und steuern gemeinsam die Geschicke des Landes in eine Richtung, die den Neid aller Erdenbürger erweckt. Im Jahr 2000 ist Rom nach Teheran, Kairo und Kuwait die fortschrittlichste Hauptstadt der Welt.

Rom ist die Hauptstadt der Vierten Welt, in der Marxismus und Christentum zum Wohlgefallen der strammen Genossen und der lauteren Christen ein ehernes Bündnis eingegangen sind, und in der sehr erdennahe Pilger aus Ost und West das Heilige Jahr 2000 feiern.

Italien 1975 zerbricht sich den Kopf, wer dieses Zukunftsbild entworfen haben könnte. Der 134seitige Roman verkauft sich in den Buchhandlungen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Bisher wurden in nur vier Wochen 180.000 Exemplare abgesetzt und noch ist kein Ende des größten italienischen Bestsellergeschäfts der siebziger Jahre abzusehen. Rizzoli hüllt sich in Schweigen und verrät nicht, wer „Anonimo“ ist, der als Verfasser zeichnet. Wer immer auch bisher als Autor genannt wurde, lehnte diese Ehre ab und versuchte den Verdacht auf einen anderen zu lenken. Jedenfalls muß der Autor jemand sein, der um die italienische Politik gut Bescheid weiß, die Schwächen und die Ambitionen der Protagonisten kennt und zudem über eine vorzügliche und witzige Feder verfügt.

Eines steht fest, so wenigstens heißt es in Rom: Als Verfasser des zynischen Werkes kommen alle, außer den Kommunisten in Frage. Die Genossen sind humorlos. Ein KPI-Exponent ließ über ..Anonimos“ Zukunftsroman verlauten die KPI werde sich nie für eine solche Operation hergeben, worauf ihm der christdemokratische Gesprächspartner bedeutete, daß 27 Morde zur Errichtung eines „starken Regimes“ besser in die politische Landschaft einer kommunistischen als einer christdemokratischen Ideologie

passe. Siehe Portugal.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung