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Berlinguer verliert Anhänger und gewinnt Macht

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Ihre stimmenthaltung im Parlament kommt die KPI immer teurer zu stehen. Sie hat größte Mühe, die Arbeiter bei der Stange zu halten und dürfte die meisten Studenten und Mittelschüler bereits verloren haben. Jeder kann sich an den Fingern abzählen, daß die Regierung Andreotti von der wohlwollenden Stimmenthaltung der kommunistischen Parlamentarier lebt. Wer nicht mehr an die organische Universitätsreform glaubt und vergeblich auf eine Revolution durch die KPI wartet, der verschreibt sich leicht einer der extremistischen Links- oder Rechtsparteien, der Partei der Proletarischen Einheit oder den Neofaschisten.

Unter allen Kabinettsmitgliedem allerdings ist Francesco Cossiga zweifellos des KPI-Chefs liebster Minister. Cossiga stammt ebenfalls aus Sardinien und ist ein naher Blutsverwandter des kommunistischen Marchese. Überdies tritt der Innenminister als oberster Chef der Polizei für eine Reform der öffentlichen Sicherheit ein, die bisher von allen seinen Vorgängern mit guten Gründen auf die lange Bank geschoben wurde.

Daß der christdemokratische Innenminister die Widerstände innerhalb der Democrazia Cristiana gegen diese Reform gebrochen hat, trug ihm das Lob des Führers der großen sozialkommunistischen CGIL-Gewerk- schaft, Lama, und einen orkanhaften Beifall der Zuhörer bei der Gründungsversammlung zur Bildung einer Polizeigewerkschaft ein. Lama fühlt sich mit Cossigas Rückendeckung so sicher, daß noch vor Gutheißung der „Reform der öffentlichen Sicherheit” durch das Parlament mit der Werbung von Mitgliedern für die Polizeige werkschaft begonnen wurde. In Gewerkschaftskreisen hört man, daß mehr als 90 Prozent der Polizisten sich diesem Berufsverband anschließen werden.

Für die Linksparteien ist die Polizistengewerkschaft ein Beweis dafür, daß „die Demokratie die Kaserne erreicht hat”. Weniger begeistert oder gar ablehnend verhalten sich viele Christdemokraten und alle Vertreter der Rechtsparteien. Sie sehen in dieser Gewerkschaft eine weitere Kapitulation der Regierung vor der KPI. Lamas Worte an die Polizisten: „Gemäß Reform der öffentlichen Sicherheit dürft ihr zwar nicht streiken, doch niemand wird verhüten können, daß die anderen Arbeiter für euch streiken”, wird als Einladung zur Kapitulation der Staatsgewalt vor den subversiven Kräften verstanden.

In Regierungskreisen wird auf die Carabinieri als auf die eigentlichen Stützen der Staatssicherheit verwiesen: Sie unterstehen dem Verteidigungsministerium, sind nicht gewerkschaftlich organisiert, besser entlohnt und besser organisiert als die Polizeieinheiten. Noch haben die Kommunisten die Carabinieri nicht „im Griff” und können darauf wahrscheinlich noch lange warten.

Eines ist jedoch unbestreitbar: Seit der Gründung der Polizistengewerkschaft kann in Italien weniger leicht als früher ein Staatsstreich von rechts durchgeführt werden. 200.000 gewerkschaftlich organisierte Polizisten vermögen die Pläne der rechtsstehenden 120.000 Carabinieri jederzeit zu durchkreuzen.

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