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Italien ist nicht Amerika

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Seit Jahren verbraucht sich Italien in der Totalität zweier Parteien. Man hat ausgerechnet, daß die christdemokratischen Machthaber seit 1958 mehr Zeit verwenden, auf die Einwirkungen der kommunistischen Opposition zu reagieren, als das Land wirklich zu regieren. Aus Angst, mit den ihr benachbarten Parteien die Mehrheit“ im Parlament zu verlieren, ließ sich die christdemokratische Partei zu allerlei Zugeständnissen an Linkssozialisten und Kommunisten verleiten. So wurde die KPI, gleichsam durch die Hintertür, längst zu einer Art von inoffizieller Regierungspartei.

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Seit Jahren verbraucht sich Italien in der Totalität zweier Parteien. Man hat ausgerechnet, daß die christdemokratischen Machthaber seit 1958 mehr Zeit verwenden, auf die Einwirkungen der kommunistischen Opposition zu reagieren, als das Land wirklich zu regieren. Aus Angst, mit den ihr benachbarten Parteien die Mehrheit“ im Parlament zu verlieren, ließ sich die christdemokratische Partei zu allerlei Zugeständnissen an Linkssozialisten und Kommunisten verleiten. So wurde die KPI, gleichsam durch die Hintertür, längst zu einer Art von inoffizieller Regierungspartei.

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Der letzte Urnengang hat nun die Tendenz zur Polarität zwischen DC und KPI nur noch verschärft. Die zwei größten Parteien Italiens haben ihren Anhang auf Kosten benachbarter Parteien vermehrt. Der Vormarsch der DC wird durch den Miß-

erfolg der Liberalen und der Sozialdemokraten mehr als ausgeglichen. Kaum anders verhält es sich bei den Volksfrontparteien: der Erfolg der KPI wird durch den Mißerfolg der Linkssozialisten fast vollständig ausgeglichen. Mehr noch als 1972 hat sich die Alternative zwischen Demo-crazia Cristiana und KPI verschärft.

Dieser Trend zum Zweiparteien-System könnte für Italien von Vorteil sein, wenn sich Christdemokraten und Kommunisten auch nur halb so nahe stünden wie Republikaner und Demokraten in den USA. Dies ist aber keineswegs der Fall. DC und KPI sind in hohem Maße antagonistische Parteien mit verschiedener ideologischer Ausrichtung und anders geartetem Anhang. Gegenseitige Annäherungen tragen den Stempel des taktischen Kunstgriffes und sind von entgegengesetzten Uberzeugungen getragen. Symptomatisch hiefür ist der Begriff des Historischen Kompromisses, der von KPI-Chef Berliwguer vorgeschlagene Schulterschluß mit der Democrazia Cristiana. Eine solche Allianz läuft stets auf einen Würgegriff der KPI hinaus. Historisch wäre an diesem Kompromiß wohl nur der Umstand,

daß die DC dann als Mehrheitspartei von der historischen Bühne endgültig abtreten müßte.

Unter solchen Vorzeichen ist eine Ablösung am Schalthebel der Macht, wie sie in den Vereinigten Staaten und in allen übrigen Ländern mit klassischem Zweiparteien-System in ziemlich regelmäßigen Abständen erfolgt, in Italien so gut wie ausgeschlossen. Uberläßt die DC das Heft der KPI, so kann sie als fünfte Oppositionspartei kaum mehr hoffen, wieder einmal über einen Urnengang zum Zuge zu kommen. Daß sie glaubhaft der öffentlichen Meinung vor Augen geführt hat, wie sehr die kommunistische Machtergreifung eine Einbahnstraße wäre, erklärt zum,Teil den erheblichen Stimmenzuwachs der Christdemokraten. Um

so weniger werden es die christlichdemokratischen Wähler verstehen, wenn die DC-Leitung sich anschik-ken wollte, die KPI in die Regierungskoalition aufzunehmen, wobei die Kommunisten die Dekrete und Gesetze der Regierung zwar unterstützen, nicht hingegen Minister stellen würden.

Solch ein fauler Kompromiß müßte auf einem Verrat an den im Wahlkampf abgegebenen Versprechen hinauslaufen, auch wenn dafür die DC-Führung als Entschuldigung vorbrächte, daß Italien angesichts der schweren wirtschaftlichen, politischen und moralischen Krise eben regiert werden müsse und daß

sich die bisherigen Koalitionsparteien nicht mehr länger in Auseinandersetzungen mit der KPI, dieser offiziellen Regierungspartei, aufreiben wollten.

Völlig offen steht die Frage, wie lange sich die KPI in einem solchen Falle damit begnügen würde, die Dekrete und Gesetze der Regierung von außen her, also aus der Opposition oder als bloße Koalitionspartei im Parlament, zu unterstützen. Früher oder später würden die Kommunisten den Preis für dieses und jenes andere Wohlverhalten einfordern. Das wäre dann das Ende der parlamentarischen Demokratie in Italien.

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