Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Saddam ist nur ein Alibi
Zum großen Entsetzen vieler Menschen in Europa und Amerika ruft Saddam Husseins Raketenwahn unter vielen Moslems Begeisterungsstürme hervor. Und zwar keineswegs nur unter Palästinensern, sondern gerade in Ländern wie Marokko und Malaysia, - weitab vom Kriegsgeschehen.
Die während der letzten zehn Jahre geknüpften Bande der Verständigung zwischen moderaten Palästinensern und avantgardistischen Israelis seien mit einem Schlag ausgelöscht, klagt ein israelischer Aktivist der Friedensbewegung. Und ein Bischof aus Pakistan stellt resigniert fest, der islamischchristliche Dialog sei um 40 Jahre zurückgeworfen. Wer immer gegen Vorurteile zwischen Abendländern und Morgenländern gekämpft, wer sich um Verständigung zwischen Erster und Dritter Welt bemüht, wer Brücken zwischen Nord und Süd gebaut hat - alle sehen ihre langjährigen Anstrengungen innerhalb weniger Wochen weitgehend zunichte gemacht.
Wie erklärt sich ein solch radikaler Meinungsumschwung? Zweifellos werden viele innenpolitische Probleme der betreffenden Staaten gewissermaßen auf der Plattform am Golf ausgetragen. In vielen Staaten - in Pakistan oder im Sudan beispielsweise, aber auch im Jemen, in Algerien oder sogar in Indonesien - wird der Golfkrieg als Aufhänger benützt, um innenpolitische Zwiste auszutragen.
Dennoch bestehen starke Grundtendenzen, die über die konjunkturellen Elemente hinausgehen. Das Umschwenken vieler Islamisten von einer pro-saudischen Einstellung auf die Linie des zuvor so verhaßten Saddam Hussein ist zwar nicht total und universal, doch hat sie sich in den meisten Staaten der Region durchgesetzt: • Es handelt sich erstens um die Empörung der Dritten Welt über die Anmaßung der Ersten, den Menschheitskurs bestimmen zu wollen.
• An zweiter Stelle handelt es sich um ein spezifisches Problem der Araber und Moslems, das jedoch mittlerweile einen Symbolcharakter erhalten hat, der weit über die Region und die Welt des Islam hinausgeht: nämlich die Intifada, die seit drei Jahren andauernde Erhebung der Palästinenser in den besetzten Gebieten gegen die israelische Fremdherrschaft. Der Zyniker Saddam Hussein hat verstanden, diese Sprengladung zu zünden.
• An dritter - eigentlich an erster -Stelle steht der Zuzug Hunderttausender aus der Sowjetunion nach Israel.
Das ist die gröbste Provokation, der sich die Araber, die Moslems und die Dritte Welt insgesamt ausgesetzt sehen. Provokation insofern, als hier auf anachronistische Weise das Zeitalter des Kolonialismus fortgeführt beziehungsweise neubelebt wird.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!