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Zeichenverlust
Die Siebenzahl der Sakramente stand nicht immer fest. Denn tatsächlich waren Taufe und Firmung ursprünglich ein Ganzes, das Weihesakrament umfaßte andrerseits mehrere Ämter.
Auch gab es Zeiten, wo man etwa im Begräbnis ein Sakrament erblickte. Nach antiker Vorstellung war das gar nicht so ungereimt, wie das heute klingen mag. Denn man stellte sich lange Zeit vor, die Seele könne erst ihrer letzten Bestimmung entgegengehen, wenn der Leichnam mit Erde bedeckt wäre. Woraus sich manche Begräbnisformeln erklären, auch vorchristliche, wie jene von der „ewigen Ruhe“.
Um die Unscharfe der Trennung der eigentlichen sieben Sakramente von den anderen Symbolhandlungen der Kirche zu mildern, sprach man später von ,JSa-kramentalien“ oder sakramentalen Handlungen“ (ungeachtet der Sprachlogik, die ja auch im Sakrament ei-ne sakramentale.-Handlung., sieht).
Als Unterscheidungskrite-rium nannte man gern die biblische Fundierung des Sakraments oder (engerformuliert) die Einsetzung durch Jesus. Das engere Verständnis führte auch zu einer Verringerung der eigentlichen Sakramente durch die Reformatoren auf zwei oder drei (Taufe, Eucharistie, eventuell Buße). Doch gerade wenn man den Streit um die Einsetzung der Sakramente genau bedenkt, kommt man zu einer frappierenden Feststellung: Es gibt ein vergessenes Sakrament.
Der Bericht des Johannes von der Fußwaschung beim Letzten Abendmahl hat nämlich alle geforderten Merkmale eines von Jesus selbst eingesetzten und wirkmächtigen heiligen Zeichens: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch getan habe.“ (Joh 13J4f) So deutlich ist eine Einsetzung“ nur noch bei Taufe und Abendmahl zu lesen.
Hier stellt sich natürlich eine für die ganze Christenheit geradezu peinliche Frage: Wie konnte uns dieses ,JSakrament“ in Verlust geraten? Welcher (unbewußte) Auslesemechanismus hat dieses so ausdrucksstarke Zeichen zu einer seltenen Gründonnerstagsgeste werden lassen? Die Bedeutung des Symbols redet eine deutliche Sprache: Die Fußwaschung ist ein Zeichen des Herrschaftsverzichts, sie ist ein antihierarchisches Ritual. In einer hierarchischen Kirche bleibt sie ein verlorenes Sakrament.
46. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.
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