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Zölibat als Prüfstein

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Wer Dietrich von Hildebrand In den dreißiger Jahren als mutigen und stets zuversichtlichen Kämpfer gegen dein Ungeist des Nationalsozialismus erlebt hat, wer um die Gelassenheit weiß, mit welcher er, der Christ und Philosoph, den Verlust seiner gesamten Habe (darunter unersetzliche Kunstschätze) hinnahm, wer um den Starkmut weiß, mit dem er wiederholte Flucht und in der Folge jahrelange Emigration ertrug, der wird vielleicht erschrocken bei der Nachricht innegehalten haben, daß Hildebrand einen seiner jüngsten Vorträge über Gegenwartspro bleme der katholischen Kirche unterbrechen mußte, weil Ihm seelische Qualen und Erschütterung die Stimme raubten. Das Kassandraschicksal des Verlacht- und Überschrienwerdens konnte auch ihm nicht erspart bleiben, seit er Alarm gerufen und auf das „Trojanische Pferd In der Stadt Gottes“ gezeigt hatte, das längst schon hochragend, umtanzt und bekränzt, inmitten des Heiligtums stand.

Nur am Rande dieses seines zentralen Themas behandelte Dietrich von Hildebrand nun auch die Frage des Zölibats. Wie ja der Zölibat selbst, zur immer neuen Enttäuschung zahlreicher Schnüffler und ahnungsloser Schreiberlinge, nur am Rande des eigentlichen priesterlichen Daseins steht. Allerdings als eine Art von Grenz- und Schutzwehr. Viele illegitime Motive für die Erwählung des Priesterstandes durch begabte junge Menschen — Sicherheit, gesellschaftlicher Aufstieg — gelten heute nicht mehr, eine andere

Gefahr, ein anderes illegitimes Motiv steht vielmehr drohend im Vordergrund: während der Priester „früher, sobald er sich von der Lehre der Kirche entfernte und häretische Dinge verbreitete, gemaßregelt und, wenn er nicht gehorchte, sogar des Amtes enthoben wurde, geschieht dies im allgemeinen nicht mehr so leicht und daher behält er in den Augen der Laien die Autorität, ein offizielles Sprachrohr der Kirche, zu sein.“ Daß dies für all jene eine einzigartige Chance darstellt, die sich die Unterwanderung der Hierarchie und das mit dem Stichwort „Demokratisierung“ gemeinte Umfunktionieren der Kirche zum Ziel gesetzt haben, liegt auf der Hand. Eine einzige Unbequemlichkeit muß dabei aber immer noch von den Pionieren und Vorauspatrduillen in Kauf genommen werden: der Zölibat. Nur zu bald wird diese Schranke zum Haupthindernis für jene, die innerweltlichen Zielen dienen, die mit dem Priestertum durchaus nicht die Gesamthingabe ihrer Person an Christus und die Kirche meinen, sondern eher noch eine „Sammlung in Basisgruppen“. Hildebrand sieht also im Zölibat einen heilsamen „Prüfstein echter Berufungen“. Man könnte einwenden, in der östlichen Kirche, wo keine Zölibatsverpflichtung besteht, falle dieser Prüfstein weg. Doch ist dort, vor allem hinter dem Eisernen Vorhang, die Attraktion des Priesterstandes aus falschen Motiven keineswegs so groß wie im Westen, es entfällt auch die Notwendigkeit, eine Kirche auf kaltem Wege zu unterwandern, die man ja machtmäßig ohnedies im harten Griff hat

Von diesem Gedankengang abgesehen, werden die Gründe, die Hildebrand für eine Beibehaltung des Zölibats anführt, jedem, also auch dem Nichtkatholiken und dem Nichtchristen einleuchten — soferne er an Gott glaubt. An Agnostikern und militanten Atheisten werden sie natürlich ebenso abprallen wie an diesem oder jenem Berufsklerikalen, der im Laufe seines Theologiestudiums oder seiner vereinsmäßigen Aktivitäten den Glauben verloren hat.

ZÖLIBAT UND GLAUBENSKRISE. Von Dietrich von Hildebrand. Verlag Josef Habbel, Regensburg. 168 Seiten.

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