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Zur Situation der Kirchenmusik

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Auf Initiative der österreichischen Gesellschaft fürMu-s i k wird im Herbst eine Reihe von Vorträgen stattfinden, die sich mit der Situation der Kirchenmusik zehn Jahre nach dem Konzil befassen. Als Vorhut dieses begrüßenswerten Unternehmens sprach Prof. Dr. Helmut Hucke, weithin bekannter Musikologe, Dozent an der Universität Frankfurt, über das Thema „Kirchenmusik oder Musik in der Kirche?“

Der Vortragende umriß zunächst mit wissenschaftlicher Akribie die historische Genese des Begriffs „Kirchenmusik“ und wies dabei nach, daß dieser in der kirchenmusikalischen Gesetzgebung stets durch konservative Haltung und gewisse ästhetische Vorstellungen bestimmt war, die an der aktuellen Entwicklung der Musik vorübergingen. So hätte beispielsweise der Palestrina-Stil einem bürgerlichen Sakralstilideal entsprochen, die Kirchenmusik der Wiener Klassik sei im Zeichen einer gewollten Askese bekämpft worden, das künstliche Wiedererwecken der Gregorianik durch die Mönche von Solesmes hätte nur geringe Möglichkeiten zu einer Erneuerung der damaligen Kirchenmusik geboten. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre — nach dem Konzil, das sie noch nicht voraussehen konnte — hätte die Frage der Aktualität und damit des Kunstwertes der Kirchenmusik neuerlich in den Vordergrund gerückt, etwa durch das Aufkommen der „rhythmischen Messen“ oder durch den unabweisbaren Anspruch moderner Komponisten, mit den Mitteln von heute die Musik der Liturgie zu gestalten.

Dr. Huckes Konklusion: die Kirchenmusik kommt um die Gegenwart nicht, herum, die Tradition muß weitervoachsen und darf sich nicht abwehrend gegen das Experiment stellen. Angst vor der Zukunft, auch vor der musikalischen, sei unchristlich. Qualifikation einer bestimmten Musik als Kirchenmusik gebe es nicht, nur eine Funktion, und für die Erfüllung oder Nichterfüllung dieser Funktion seien keine ästhetischen Maßstäbe vorhanden. Somit fordert Dr. Hucke offene Kirchentüren für jede Art von neuer Musik. Die Sicherung ihres Fortbestandes will er durch möglichste Integrierung in 1 den Gottesdienst erreichen.

In der anschließenden Diskussion wurde mehrheitlich die Meinung zum Ausdruck gebracht, daß wichtige Aspekte der Kirchenmusik — oder der Musik in der Kirche —, wie beispielsweise ihre religiöse Funktion und jene ästhetische Komponente, die damit im Zusammenhang steht, nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die Kompliziertheit und Vielschichtigkeit wurde aber um so klarer. Sie wird in den weiteren Vorträgen zu diesem Thema unter den verschiedensten Aspekten beleuchtet werden.

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