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Che Guevaras Schatten…

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Bolivien ist eines der lateinamerikanischen Länder, in denen man nicht weiß, ob der Präsident, wenn er sein Amtszimmer am Montag verläßt, am Dienstag noch hineingelassen wird. Ein dauernder Wechsel nicht nur von Persönlichkeiten, sondern von oft alarmierenden Situationen kennzeichnet das chaotische Klima der bolivianischen Politik. Noch vor wenigen Wochen schien es, als ob Präsident Luis Adolfo Sites Salinas, der als Nachfolger des bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommenen Präsidenten General Renė Barrientos legal an die Macht gekommen war, in ständigem Gegensatz zum Chefkommandanten des Heeres Ovando Candia stünde. Dann glaubte man, daß’sich beide dahin geeinigt hätten, daß Siles bis zu den nächstjährigen Präsidentschaftswahlen an der Macht bleibe, jedoch die Kandidatur Ovando Candias weitgehend begünstigen würde.

Nunmehr hat sich die Spannung erneut verschärft. Die nationalrevolu- tionäre Bewegung, die im Jahre 1953 an die Macht gekommen war und als erstes • die großen Zinnminen verstaatlicht und die Latifundien enteignet hätte, ist zwar durch den Militärputsch in die illegale Opposition gedrängt worden. Der letzte nationalrevölutionäre Präsident Paz Estensoro lebt in der Emigration in Peru. Aber die nationalrevolutionären Tendenzen und insbesondere eine intensive Feindschaft gegenüber dem nordamerikanischen Monopolkapital beschränken sich keineswegs auf die Anhänger dieser Bewegung; sie bilden vielmehr das Grundelement eines modernen, allgemein verbreiteten sogenannten „Patriotismus”.

Krieg um Petroleum

Hierbei sind die nordamerikanischen Petroleumgesellschaften das wichtigste Angriffsobjekt. Der Kampf zwischen ihnen und den staatlichen Petroleumgesellschaften bzw. die Rivalität zwischen Konkurrenzunternehmen hat zu einigen Kriegen und zahlreichen Revolutionen geführt.

In Bolivien will gerade jetzt die staatliche Petroleumgesellschaft „Yaoimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos” Erdölprodukte in fünf Nachbarländer exportieren und mit einer Rohrleitung aus den bolivianischen Tropen (der Zone von Sant£ Cruz) über die Hochebene (4000 m) bis Nordchile 100 Millionen Kubik- fuß pro Tag transportieren.

Bei allen diesen Plänen stößt sie auf den Widerstand der nordamerikanischen Gesellschaften, von denen eine unter der Benennung „Bolivian Gulf Oil Co.” im Lande arbeitet. Sie ist um so mehr ein Stein des Anstoßes, als in Peru, bisher einer Hochburg des nordamerikanischen Auslandskapitals, die „International Petroleum Company” kürzlich enteignet wurde.

Dieses Panorama bildet den Hintergrund einer schweren Beschuldigung. Die oppositionelle „Falange Socialistą Boliviana” erklärte im bolivianischen Unterhaus, der Chefkommandant Ovando Candia habe von der „Bolivian Gulf Oil Company”

600.0 Dollar zur Finanzierung seiner Wahlkampagne erhalten. Ovando bezeichnet die Anklage als schwerwiegend und deutete an, daß die „Verleumdungskampagne” gegen seine Person nordamerikanischen „imperialistischen” Interessen diene, die ihn unmöglich machen wollten, gerade weil er die Nationalisierung der Gesellschaften in Erwägung ziehe. Gleichzeitig erklärte Ovando seinen Rücktritt vom Oberkommando des Heeres, das er seit neun Jahren ausübt. Der Präsident Siles Salinas nahm den Rücktritt nicht an. Trotzdem proklamierte der frühere General Miguel Mufioz gemeinsam mit anderen Parteigängern Ovandos in der bolivianischen Stadt Oruro eine Revolution gegen die verfassungsmäßige Regierung von Siles Salinas zugunsten Ovandgs. Wenn auch dieser revolutionäre Aufruf nicht zu Taten führen mag, so zeigt er doch, wie kompliziert das politische Spiel in Bolivien ist. Das erweist sich auch auf der Ebene der Guerrillas. Der Schatten Che Guevaras geistert weiter. Nach dem Tode seines zweiten Mannes, Inti peredo, wird jetzt ein anderer seiner Kampfgenossen, der Kubaner „Pombo” Tamayo, als neuer Führer der Freischärler bezeichnet.

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